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Angewidert von der „Verachtung“ und „Verweigerung“ des Staatschefs rufen die französischen Gewerkschaften am Donnerstag zu einem neunten Tag der Streiks und Demonstrationen gegen die Rentenreform auf, die am 15. März mithilfe des Artikels 49.3 ohne Abstimmung verabschiedet wurde. Die Polizei rechnet mit bis zu 800.000 Menschen, die in Frankreich auf die Straße gehen werden.

Die Gewerkschaften rufen für Donnerstag, den 23. März, zum neunten Tag der Streiks und Demonstrationen gegen die Rentenreform auf, da sie davon überzeugt sind, dass die „Sturheit“ des Staatspräsidenten die Entschlossenheit der Reformgegner stärkt.

Dieser Tag ist der erste, der auf nationaler Ebene organisiert wird, nachdem das Gesetz am 15. März durch den Verfassungsartikel 49.3 verabschiedet wurde.

In einem Interview auf den Sendern TF1 und France 2 am Mittwoch wich der Präsident der Republik nicht von seinem Kurs ab und bekräftigte, dass die Reform „notwendig“ sei und kritisierte nebenbei die Gewerkschaften und insbesondere die CFDT, die er beschuldigte, es nicht verstanden zu haben, „einen Kompromiss vorzuschlagen“.

Während seit der Verabschiedung der ungeliebten Reform mit Hilfe des Artikels 49.3 die Demonstrationen im ganzen Land täglich stattfinden und manchmal von Auseinandersetzungen begleitet sind, zog der Staatschef einen Vergleich mit den Ereignissen im US-Kapitol kurz nach der Wahl von Joe Biden in den USA.

Die Gewerkschaften verurteilten unisono die „Verachtung“ und „Verweigerung“ des Staatschefs, der am frühen Donnerstagnachmittag in Brüssel zu einer Tagung des Europäischen Rates erwartet wird. „Dieses Interview wird die Wut  weiter schüren“, sagte der Generalsekretär der CGT, Philippe Martinez, auf RTL. „Die Provokation kommt von Seiten der Macht“, sagte er und prangerte einen „skandalösen“ Vergleich mit den Ausschreitungen auf dem Kapitol und die Absicht der Exekutive an, „den Streik zu brechen“, indem sie die Polizei zu den Streikposten schickt.

Massive Mobilisierung erwartet
Viele linke Politiker schlossen sich inzwischen den Gewerkschaften an. Der Anführer der „Insoumis“, Jean-Luc Mélenchon, verurteilte die „traditionelle Verachtung“ von Emmanuel Macron und rief die Franzosen dazu auf, „zu Millionen auf die Straße zu gehen“.

Die Gewerkschaftsfunktionäre riefen zu einer „massiven“ Mobilisierung auf. Die Polizei rechnet mit zwischen 600 und 800.000 Menschen bei etwa 320 Protestaktionen, davon allein 40-70.000 in Paris, wo sich der Demonstrationszug um 14 Uhr vom Place de la Bastille in Richtung Place de l’Opéra in Bewegung setzen wird. 

Wird die Mobilisierung am heutigen Donnerstag aber vielleicht nur ein Schlussbouquet sein, bevor die Proteste erlöschen? Laut einer regierungsnahen Quelle erwartet die Exekutive, dass die Mobilisierung nach der Demonstration am Donnerstag „abflacht“ und „ab diesem Wochenende“ alles wieder in normale Bahnen zurück kehrt. Die Gewerkschaften jedoch wollen sich am Donnerstagabend am Sitz der CFDT in Paris treffen, um weitere Aktionen zu planen.


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