Tag & Nacht

Als Initiator der Annäherung an Moskau und Peking in den 1970er Jahren wurde sein Image auch durch dunkle Seiten der US-Geschichte geprägt, wie etwa die Unterstützung des Staatsstreichs in Chile 1973 oder die Invasion in Osttimor 1975 und natürlich den Vietnamkrieg.

Henry Kissinger, eine große und umstrittene Figur der US-Diplomatie und Außenminister unter Richard Nixon und Gerald Ford, starb im Alter von 100 Jahren am Mittwoch, den 30. November. Er war ein wichtiger Akteur der Weltdiplomatie während des Kalten Krieges und starb „in seinem Haus in Connecticut“, wie seine Beratungsfirma Kissinger Associates mitteilte, ohne die Todesursache zu nennen.

Die Familie des Diplomaten werde eine private Beerdigung organisieren, hieß es in der Erklärung, die auch eine spätere öffentliche Ehrung in New York erwähnte. Mit seinem Tod „hat Amerika eine seiner sichersten und meistgehörten Stimmen in der Außenpolitik verloren“, begrüßte der ehemalige US-Präsident George W. Bush, ein Republikaner wie er, den Tod des Diplomaten.

Der deutsche Jude Heinz Alfred Kissinger wurde 1923 in Franken/Bayern geboren, floh aus Nazi-Deutschland und wurde im Alter von 20 Jahren amerikanischer Staatsbürger. Als Sohn eines Lehrers war er in die militärische Spionageabwehr und die US-Armee eingetreten, bevor er ein brillantes Studium in Harvard absolvierte, wo er später auch lehrte.

Umstrittener Akteur im Kalten Krieg
Henry Kissinger wurde mit seinem großen Brillengestell zum Gesicht der Weltdiplomatie, nachdem der Republikaner Richard Nixon ihn 1969 als Nationalen Sicherheitsberater und später als Außenminister ins Weiße Haus holte, wobei er von 1973 bis 1975 beide Posten innehatte. Er überlebte den Rücktritt Richard Nixons – der 1974 wegen des Wantergate-Skandals gehen musste – und blieb unter seinem Nachfolger Gerald Ford bis 1977 Chef der US-Diplomatie.

China nahm in der Karriere von Henry Kissinger einen besonderen Platz ein. Er spielte eine Schlüsselrolle beim Tauwetter in den amerikanischen Beziehungen zu Maos China. Er unternahm geheime Reisen, um den historischen Besuch Richard Nixons in Peking 1972 zu organisieren. Die ausgestreckte Hand der USA beendete die Isolation des asiatischen Riesen Chinas und trug dazu bei, dass Peking – zunächst wirtschaftlich – auf der Weltbühne stetig an Macht gewann.

Henry Kissinger führte unter strengster Geheimhaltung und parallel zu den Bombenangriffen auf Hanoi Anfang der 1970er auch Verhandlungen zur Beendigung des Vietnamkriegs. Die Unterzeichnung eines Waffenstillstands brachte ihm 1973 zusammen mit dem nordvietnamesischen Führer den Friedensnobelpreis ein, eine der umstrittensten Preisverleihungen in der Geschichte des Nobelpreises. De Vietnamese Duc Tho lehnte den Preis mit der Begründung ab, dass der ausgehandelte Waffenstillstand nicht eingehalten werde, und Henry Kissinger wagte es aus Angst vor Demonstrationen nicht, nach Oslo zu reisen.

In den USA wurde er insbesondere auch für seine Rolle als Vermittler zwischen Israel und den arabischen Ländern bekannt. 1973, nach dem Überraschungsangriff arabischer Länder während des jüdischen Feiertags Jom Kippur auf Israel, organisierte er unter anderem eine massive Luftbrücke, um den israelischen Verbündeten mit amerikanischen Waffen zu versorgen.


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