Tag & Nacht




Manchmal gibt es Fälle, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen. Weil sie so schmerzhaft sind, so unfassbar, so verstörend. Der Fall Émile ist einer davon. Ein kleiner Junge, zwei Jahre alt, voller Leben – verschwindet spurlos in einem abgeschiedenen Bergdorf. Monate später: Knochen im Wald. Jetzt wissen wir, was wir eigentlich schon geahnt haben – jemand hat diesem Kind etwas angetan. Ein Mensch. Kein Unfall, kein tragisches Verirren. Sondern Gewalt. Verstecken. Schweigen.

Es ist ein Gedanke, der einem den Atem nimmt.

Denn wer kann einem so kleinen Menschen etwas antun? Wer bringt es fertig, den Körper eines Kindes irgendwo in den Wald zu legen – als wäre er Müll? Und wer lebt seither weiter, geht arbeiten, frühstückt, telefoniert, während die Familie und das ganze Land sich den Kopf zerbrechen?

Noch unerträglicher wird es, wenn der Kreis der Verdächtigen so klein ist. 17 Personen waren an diesem Tag in Haut-Vernet. 17 Menschen. Darunter die eigene Familie. Und niemand hat etwas gesehen? Nichts gehört? Oder – und das ist vielleicht noch schlimmer – doch, aber schweigt?

Da hilft auch keine juristische Zurückhaltung mehr. Die Wahrheit ist: Irgendjemand dort weiß, was passiert ist. Und sagt es nicht.

Ich denke an Émile, wie er gelacht hat, gespielt, geträumt haben muss – mit gerade mal zweieinhalb Jahren. Er hatte noch alles vor sich. Und stattdessen stirbt er, wird irgendwo abgelegt, und um ihn herum breitet sich ein Teppich aus Schweigen, Lügen und Feigheit aus.

Man kann nur hoffen, dass dieses Schweigen bald zusammenbricht.

Und dass die Person, die dieses Unvorstellbare getan hat, sich nicht mehr sicher fühlen kann. Kein ruhiger Schlaf, kein Alltag ohne Schatten. Denn so ein Verbrechen lässt sich nicht einfach wegsperren. Nicht in einem Dorf. Nicht in einem Kopf. Und schon gar nicht im eigenen Gewissen.

Ein Kommentar von C.Hatty

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