Es ist ein Donnerschlag für eine Ikone französischer Genusskultur: Perrier, das sprudelnde Aushängeschild aus dem südfranzösischen Vergèze, steht vor einem historischen Einschnitt. Ein 150 Seiten starker Bericht von Hydrogéologen empfiehlt, dem weltbekannten Wasser den Status als „eau minérale naturelle“ – also natürliches Mineralwasser – zu entziehen. Der Grund? Mikrobiologische Verunreinigungen und unzulässige Aufbereitungsmethoden.
Eine Nachricht, die sitzt.
Denn was viele nicht wissen: Der Titel „natürliches Mineralwasser“ ist in Frankreich streng reguliert. Nur Wasser, das direkt aus einer Quelle stammt, von ursprünglicher Reinheit ist und nicht behandelt wird – außer auf mechanische Weise wie Abscheidung von Partikeln – darf sich so nennen. Genau hier liegt das Problem.
Die Quellen von Perrier zeigen punktuelle mikrobielle Belastungen. Als Reaktion darauf setzte Nestlé Waters, der Mutterkonzern, auf moderne Verfahren wie die sogenannte Mikrofiltration. Eine Technologie, die zwar die Qualität sichert – aber auch gegen die Regeln verstößt. Denn jede Form der Behandlung, die die ursprüngliche Zusammensetzung verändert, macht dem Prädikat „minéral naturel“ einen Strich durch die Rechnung.
Muriel Lienau, Präsidentin von Nestlé Waters, reagierte mit klarer Besorgnis. Ihrer Meinung nach könnte die Entscheidung ein gefährlicher Präzedenzfall werden – vor allem im Lichte des Klimawandels, der die Wasserqualität weltweit zunehmend unter Druck setzt. „Wenn wir unsere Quellen nicht mehr schützen dürfen, ohne den Status zu verlieren, was dann?“, fragte sie sinngemäß.
Dabei ist die Sorge nicht unbegründet.
Bereits im April 2024 musste Nestlé Waters zwei Millionen Flaschen Perrier vernichten. Grund: Eine fäkale Verunreinigung in einem der Vergèze-Brunnen – verursacht durch starke Regenfälle infolge des Sturms Monica. Damals griff der Präfekt des Départements Gard hart durch und legte den betroffenen Brunnen still. Ein Vorfall, der das Vertrauen in die Marke erschütterte.
Inzwischen hat das Unternehmen nach eigenen Angaben umfangreiche Maßnahmen zur Qualitätssicherung ergriffen. Ein Transformationsplan soll sicherstellen, dass die Vorgaben streng eingehalten werden. Doch reicht das aus, um den Status zu retten?
Die Entscheidung über das Label ist mehr als nur bürokratische Kosmetik. Sie entscheidet über Marktstellung, Exportfähigkeit und nicht zuletzt über das Vertrauen der Konsumenten. Perrier ist nicht irgendein Wasser – es ist weltweit bekannt, mit einer fast mythischen Aura. Ein Verlust des „natürlichen“ Labels wäre ein Imageschaden mit Wucht.
Doch der Fall zeigt auch: Die gesamte Branche steht unter Druck.
Der Klimawandel verändert Grundwasserströme, bringt mehr Extremwetter, steigert das Risiko von Kontamination. Parallel steigen die Erwartungen an Lebensmittelsicherheit. Die Hersteller balancieren zwischen Tradition und Technik, zwischen Marketing und mikrobiologischer Realität.
Klar ist: Die Vorschriften zur Bezeichnung als „eau minérale naturelle“ sind nicht für eine Zeit gemacht, in der Starkregen, landwirtschaftliche Einflüsse und urbane Verdichtung das natürliche Gleichgewicht der Quellen stören. Die Debatte über die Modernisierung dieser Regeln dürfte nun an Fahrt aufnehmen. Nur: Wo zieht man die Grenze? Ab wann ist ein Wasser noch natürlich?
Vielleicht ist es Zeit für eine differenziertere Klassifizierung.
Vielleicht aber auch für mehr Ehrlichkeit im Umgang mit Umweltveränderungen. Denn am Ende zählt vor allem eins: die Sicherheit der Verbraucher. Und das Vertrauen in eine Marke, die einst versprach, den Süden Frankreichs in eine Flasche zu füllen.
Ob Perrier dieses Versprechen weiterhin halten darf, entscheidet sich in den kommenden Wochen.
Catherine H.
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!