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In Frankreich ist die extreme Rechte die politische Kraft, die die meisten hasserfüllten und beleidigenden Nachrichten in den sozialen Netzwerken veröffentlicht, zeigt eine neue Studie der prodemokratischen US-Organisation Reset Tech.

Der Präsidentschaftswahlkampf ist in seine Endphase eingetreten. Emmanuel Macron und Marine Le Pen bereiten sich nun auf die grosse TV-Debatte zwischen den beiden Wahlgängen vor, die am 20. April, vier Tage vor der Wahl, stattfinden wird. Parallel dazu liefern sich die beiden Lager in den sozialen Netzwerken einen gnadenlosen Krieg, um ihre Wählerschaft zu mobilisieren und möglichst viele Unterstützer zu gewinnen.

Die amerikanische Organisation Reset Tech, die sich auf Untersuchungen von Online-Verhaltensweisen spezialisiert hat, beobachtet die digitale Kampagne genau und zeigt in einer neuen Studie mit dem Finger auf Entgleisungen der rechtsextremen Anhänger.

Die Studie wurde von Januar 2020 bis Oktober 2021 durchgeführt, um zu analysieren, woher die beleidigenden und hasserfüllten Nachrichten stammen. Es wurden 50 repräsentative Konten pro Partei identifiziert und alle Postings und Kommentare analysiert. Dabei handelte es sich um offizielle Konten der politischen Parteien, Konten, die mit ihnen in Verbindung stehen, sowie um Personen, die sich zu diesen Parteien bekennen.

Dabei zeigte sich eindeutig, dass Anhänger der extremen Rechten in den Netzwerken mit Abstand am gewalttätigsten auftreten. Auf Facebook entfallen 45,1% der Posts mit schweren Beleidigungen, Drohungen und/oder Hassreden, auf Konten, die mit der Le Pen-Partei Rassemblement National in Verbindung gebracht werden, obwohl sie nur 12,3% aller analysierten Posts ausmachen. Die Wissenschaftler stellten außerdem fest, dass viele Hassbeiträge auch von Mitgliedern der Gelbwestenbewegung stammte: 5,97% der gewalttätigen Inhalte, bei nur 2,52% aller untersuchten Beiträge.

Ausserdem zeigte sich, dass die Personen, die sich am radikalsten für extreme Richtungen einsetzen, auch die aktivsten sind. 49,5% der Kommentare, die auf Facebook analysiert wurden, stammen von Konten, die mit der extremen Rechten in Verbindung stehen, 17,03% sind mit der linken Partei La France insoumise (Jean Luc Mélenchon) verbunden, und 14,97% stammen von Konten, die La République en Marche nahestehen (Emmanuel Macron).

Die Wissenschaftler sehen eine Verantwortung der Plattformen für die vielen Hasskommentare. Denn das System der sozialen Netzwerke begünstigt die Konten und Beiträge, die die meisten Kommentare generieren. Je extremer die Äußerungen sind und je mehr Emotionen sie schüren, desto mehr Reaktionen rufen sie hervor. Die Tatsache, dass „extremen“ Profile viel kommentieren, fördert so ihre Bekanntheit. Sie sind in gewisser Weise die besten Kunden für die Plattformen.

Grund dafür sei eine Fehlentwicklung eines Systems, die korrigiert werden muss. Heutzutage ist das Barometer für die Hervorhebung von Posts in sozialen Netzwerken die Anzahl der Likes, die Anzahl der Kommentare und die Reaktionsgeschwindigkeit. Facebook und Twitter müssten das Risiko der Verwendung dieser Art von Indikatoren für die Qualität der demokratischen Debatte besser verstehen, Maßnahmen zur Bekämpfung falscher und pervertierter Effekte einführen und die Wirksamkeit dieser Maßnahmen bewerten. Ausserdem sollten die Plattformen transparenter sein und einer stärkeren Regulierung und Aufsicht durch die öffentliche Hand unterliegen.

Was den französischen Wahlkampf betrifft, müsse man die zahlreichen Posts zur Anfechtung von Umfragen oder die Aufrufe zur Überprüfung der offiziellen Stimmenauszählung erwähnen, die insbesondere von Anhängern der extremen Rechten verbreitet wurden.

Als Beispiel für die den möglicherweise jedoch relativ beschränkten Einfluss der sozialen Netzwerke auf die Wahlentscheidungen wird die Kampagne von Eric Zemmour genannt, die sich sehr stark auf soziale Netzwerke konzentrierte und schußendlich an den Wahlurnen enttäuschte. In gewisser Weise verkörpert sie die Grenzen der digitalen (Falsch)Information, die den Eindruck eines trügerischen Zustimmungszuwachses vermitteln könnten.


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