Tag & Nacht




In den saftigen Wiesen der Oise blüht ein altes Käsehandwerk neu auf – wortwörtlich aus dem Heu geholt: die Tomme au Foin. Dieses aromatische Meisterwerk bringt nicht nur Käseliebhaber ins Schwärmen, sondern erzählt auch eine Geschichte von Tradition, Hingabe und regionalem Stolz.

Käse mit Geschichte – und Heu im Herzen

Bereits im 18. Jahrhundert nutzten Bauern im Pays de Bray eine clevere Methode, um ihre Käse länger haltbar zu machen: Sie lagerten die Laibe im Heu. Das schützte nicht nur, sondern verlieh dem Käse ein feinwürziges Aroma mit Noten von Walnuss und Wiesenkräutern.

Doch dann kam das Vergessen.

Fast zwei Jahrhunderte lang verschwand der Tomme au Foin aus den Regalen – bis Jean-Marie Beaudoin 1993 beschloss, dem Käse neues Leben einzuhauchen. In Villers-sur-Auchy grub er alte Rezepte aus, hörte den Alten im Dorf zu und wagte einen Neustart. Seine Idee? Kein Nostalgieprojekt, sondern ein echtes Revival.

Handarbeit statt Massenware

Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Der Herstellungsprozess des Tomme au Foin ist ein echtes Handwerk. Rohmilch von Kühen, die auf unbehandelten Wiesen grasen, wird sanft zu Käse verarbeitet – mit traditionellen Techniken, wie sie schon die Vorfahren kannten.

Nach dem ersten Reifeschritt ruht der Käse dann in getrocknetem Heu. Klingt rustikal? Ist es auch – aber genau das macht den Unterschied. Die Pflanzenstoffe des Heus, vor allem die aromatische Cumarin-Verbindung, verleihen der Tomme ihren unverwechselbaren Charakter. Die Kruste wird grau, die Konsistenz geschmeidig, das Aroma komplex.

Ein bisschen wie ein gutes Buch: außen unscheinbar, innen voller Überraschungen.

Zwei Fromagerien, eine Mission

Heute gibt es gerade mal zwei Produzenten, die diese Tradition bewahren: die Fromagerie Jean-Marie Beaudoin in Villers-sur-Auchy und die Fromagerie de la Chapelle Saint Jean in Grémévillers. Beide setzen auf biologische Landwirtschaft, nachhaltige Methoden und viel Geduld.

Die Mühe wird belohnt: Bei der Weltmeisterschaft des Käses in Tours gewann der Tomme au Foin 2023 die Silbermedaille. Kein Wunder – die Qualität schmeckt man. Jeder Biss ist eine kleine Reise durch die grüne Seele der Picardie.

Genuss, der verbindet

Wie isst man so einen Käse?

Am besten bei Zimmertemperatur, damit sich das volle Aroma entfalten kann. Ein fruchtiger Weißwein oder ein leichter Roter passt hervorragend dazu. Auch in der Küche macht er eine tolle Figur – etwa in einer herzhaften Tarte, in der klassischen Ficelle Picarde oder einfach auf knusprigem Landbrot.

Und auf dem Käsebrett? Da wird er schnell zum heimlichen Star, dem alle anderen Platz machen müssen.

Was bleibt?

Mehr als nur ein Käse.

Der Tomme au Foin ist ein Stück lebendige Kultur – ein Zeugnis dafür, wie man mit Leidenschaft und Respekt vor der Vergangenheit neue Begeisterung wecken kann. Wer durch die Oise reist, sollte sich dieses Erlebnis nicht entgehen lassen. Denn manchmal liegt das Besondere direkt im Heu verborgen.

Von Andreas M. Brucker

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