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Frankreich diskutiert wieder über Einwanderung – diesmal mit dem Vorschlag, die Regularisierungen für Migranten ohne gültige Aufenthaltstitel drastisch einzuschränken. Der konservative Politiker Bruno Retailleau will die Hürden für eine Aufenthaltsgenehmigung erhöhen und somit die Zahl der Regularisierungen reduzieren. Besonders betroffen wären Branchen wie das Baugewerbe und die Gastronomie, die bereits jetzt unter massivem Fachkräftemangel leiden. Doch was würde ein solcher Kurswechsel tatsächlich für die französische Wirtschaft bedeuten?

Strengere Regeln für Aufenthaltsgenehmigungen

Retailleaus Vorschlag ist bislang keine gesetzliche Neuerung, sondern eine Richtlinie, die den Präfekten eine strengere Handhabung empfiehlt. Wer eine Aufenthaltserlaubnis ausnahmsweise erhalten möchte, soll statt fünf nun sieben Jahre in Frankreich gelebt haben. Zusätzlich muss er nicht nur nachweisen, dass er die französische Sprache beherrscht, sondern sich auch an die Werte der Republik hält.

Hinter dieser Maßnahme steckt das Ziel, Ausnahmegenehmigungen – insbesondere aus familiären oder wirtschaftlichen Gründen – drastisch zu reduzieren. Doch während einige diese Verschärfung als notwendigen Schritt für eine kontrollierte Einwanderung begrüßen, schrillen in vielen Wirtschaftssektoren die Alarmglocken.

Ein Blick auf die Zahlen: Wer wird überhaupt regulär?

Im vergangenen Jahr wurden rund 35.000 Menschen in Frankreich regulär aufgenommen – ein Drittel davon aus beruflichen Gründen. Diese Zahlen zeigen, wie stark Teile der Wirtschaft auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen sind.

Besonders betroffen ist die Gastronomie. Restaurantbesitzer und Hoteliers kämpfen seit Jahren mit Personalmangel. Schon jetzt fordert die Branche, dass Berufe wie Koch oder Kellner auf die Liste der sogenannten „métiers en tension“ – also Berufe mit akutem Arbeitskräftemangel – gesetzt werden. Ohne Migranten drohen Restaurants und Hotels, ihren Betrieb einzuschränken oder gar zu schließen.

Welche Branchen trifft es am härtesten?

Nicht nur in der Gastronomie könnte der Fachkräftemangel eskalieren. Auch das Baugewerbe ist dringend auf Arbeitskräfte angewiesen. Viele Unternehmen sind heute schon nicht in der Lage, Aufträge rechtzeitig zu erledigen, weil ihnen schlicht das Personal fehlt. Wenn weniger Arbeiter regulär werden, könnte sich dieser Engpass noch weiter verschärfen.

Eine Frage drängt sich auf: Wer soll dann die Arbeit machen? Französische Arbeitskräfte gibt es oft nicht genug oder sie sind nicht bereit, unter den oft harten Bedingungen dieser Branchen zu arbeiten. Eine Antwort darauf bleibt Retailleau schuldig.

Gefahr für das Wirtschaftswachstum?

Eine zu strikte Einwanderungspolitik könnte langfristig die französische Wirtschaft ausbremsen. Experten warnen, dass ein Rückgang an Arbeitskräften besonders in Berufen, die nicht ohne weiteres automatisiert werden können, zu weniger wirtschaftlicher Dynamik führt.

Zudem könnten steigende Lohnkosten und Personalengpässe für höhere Preise in der Gastronomie und im Bauwesen sorgen. Das wäre eine Belastung für Verbraucher, die sich möglicherweise einen Restaurantbesuch oder Bauprojekte weniger leisten können.

Ist eine Lösung in Sicht?

Ein vollständiger Stopp der Regularisierungen ist unwahrscheinlich, doch es ist denkbar, dass die Regierung den Zugang zum Arbeitsmarkt für Migranten gezielter steuert. Eine Möglichkeit wäre, die Einwanderung in bestimmten Sektoren zu erleichtern, während sie in anderen strenger reguliert wird.

Letztlich bleibt die Frage: Ist Frankreich bereit, auf einen großen Teil seiner Arbeitskräfte zu verzichten, wenn es um die Durchsetzung einer härteren Einwanderungspolitik geht?

Catherine H.


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