Ich stehe jedes Jahr am 1. Mai zwischen all den Transparenten, den kämpferischen Stimmen, den Slogans auf Schildern – und frage mich: Was ist mit der Gerechtigkeit im Klimawandel?
Gibt’s dafür auch ein Banner?
Denn während wir für faire Löhne, sichere Arbeitsplätze und menschenwürdige Bedingungen kämpfen, rast die Klimakrise wie ein ungebremster Zug auf diejenigen zu, die sich am wenigsten dagegen wehren können. Wer ohnehin schon wenig hat, zahlt den höchsten Preis – mit der Gesundheit, dem Zuhause, dem letzten Ersparten.
In meiner Nachbarschaft leben viele Menschen, die keine Klimaanlage haben, kein schattiges Eigenheim im Grünen, kein Geld für neue Fenster oder eine Wärmepumpe. Sie leben dicht gedrängt in aufgeheizten Wohnungen, atmen stickige Luft und sind doppelt betroffen – ökonomisch und ökologisch.
Und dann sehe ich da draußen die Debatte: Klimaschutz als Luxusproblem, als „Verzichtsideologie“. Ich könnte schreien.
Denn wer hat denn bitteschön verzichtet, als Konzerne jahrzehntelang Öl verbrannt, Wälder plattgemacht und Wasser vergiftet haben? Ganz sicher nicht die, die heute ihre Stromrechnung kaum noch stemmen können.
Soziale Gerechtigkeit im Klimawandel – das ist kein nice-to-have. Das ist das Rückgrat jeder Lösung, die ihren Namen verdient. Wenn wir die Klimakrise nicht auch als soziale Krise begreifen, verlieren wir beides: den Planeten und den sozialen Frieden.
Ich will einen 1. Mai, an dem Klimagerechtigkeit auf der Hauptbühne steht.
Ich will Gewerkschaften, die sagen: „Energiewende ja – aber gerecht!“
Ich will Politiker:innen, die sich trauen, Superreiche zu besteuern und mit den Einnahmen Busse, Bahn und billigen Strom für alle zu finanzieren.
Und ich will, dass jemand fragt: Warum sind die, die am wenigsten verbrauchen, am stärksten betroffen?
Wir reden so oft vom „Umbau der Gesellschaft“. Aber wohin führt das eigentlich, wenn am Ende wieder die gleichen ganz oben sitzen und die gleichen ganz unten schuften – nur diesmal bei 45 Grad im Schatten?
Lasst uns diesen 1. Mai zum Wendepunkt machen.
Nicht irgendwann. Jetzt.
Von Andreas M. Brucker
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