Tag & Nacht


Was haben ein französischer König, amerikanische Astronauten, deutsche Kriegserklärungen und ein Kinderhilfswerk gemeinsam? Sie alle sind mit dem 11. Dezember verbunden – einem Datum, das mehr historische Tiefe in sich trägt, als man auf den ersten Blick vermuten würde.

Beginnen wir in Paris, im Jahr 1792.

An diesem Tag sitzt Ludwig XVI., der einstige König von Frankreich, nicht mehr auf seinem Thron, sondern auf der Anklagebank. Der Nationalkonvent eröffnet den Prozess gegen ihn – es geht um Hochverrat und Konspiration gegen die Freiheit des Volkes. Der Mann, der einst „von Gottes Gnaden“ herrschte, wird nun als „Bürger Louis Capet“ vor Gericht gestellt. Die Französische Revolution tritt damit in ihre radikalste Phase ein. Der Prozess ist mehr als ein juristisches Verfahren – er ist ein Symbol. Ein deutliches Zeichen, dass in Frankreich kein Platz mehr für die alte Ordnung bleibt.

Nur wenige Jahrzehnte später – und ein ganzes Jahrhundert später – ist Frankreich erneut ein Zentrum geopolitischer Umwälzungen. 1958 erklärt sich Dahomey, das heutige Benin, von Frankreich für unabhängig, wenn auch zunächst innerhalb der „Communauté française“. Diese Struktur sollte die Kolonien binden, war jedoch letztlich ein Übergang in die Dekolonisation. Der 11. Dezember markiert somit auch einen Moment der politischen Loslösung und Neuorientierung – auf afrikanischem Boden, aber mit französischem Abdruck.

Doch nicht nur Frankreich schreibt an diesem Tag Geschichte.

Am 11. Dezember 1941 eskaliert der Zweite Weltkrieg endgültig zum globalen Flächenbrand: Deutschland und Italien erklären den Vereinigten Staaten den Krieg. Ein formeller Akt mit verheerender Wirkung. Bis dahin hatte sich die US-amerikanische Öffentlichkeit in Zurückhaltung geübt – doch nun ist der Krieg nicht mehr zu ignorieren. Es ist der Moment, in dem aus einem europäischen Konflikt ein weltumspannender wird. Ironischerweise geschieht das nur wenige Tage, nachdem Japan Pearl Harbor angegriffen hatte – ein Dominoeffekt der Gewalt, bei dem jede Kriegserklärung wie ein Kettenblitz durch die Welt zieht.

Währenddessen in New York, fünf Jahre später: Die Vereinten Nationen rufen ein neues Hilfswerk ins Leben – das Kinderhilfswerk UNICEF. Der Kontrast könnte kaum größer sein. Die Welt versucht, ihre tiefsten Wunden zu heilen. Nach Jahren des Mordens und des Hungerns richtet sich der Blick nun auf die Zukunft – auf die Kinder. Jene, die den Krieg nicht wollten, aber unter ihm litten. Die Gründung von UNICEF steht für den Versuch, Menschlichkeit institutionell zu verankern. Gerade weil sie so notwendig geworden war.

Ein paar Jahrzehnte später, wieder der 11. Dezember. Diesmal nicht auf der Erde, sondern auf dem Mond.

1972 landet Apollo 17, die letzte bemannte Mission im Rahmen des Apollo-Programms, auf der Mondoberfläche. Astronaut Eugene Cernan wird später als letzter Mensch den Mond betreten. Man stelle sich vor: Die Menschheit erreicht ein anderes Himmelsobjekt – und dann… nichts mehr. Kein weiterer Schritt, keine neue Flagge. Fast wie ein poetischer Schlusspunkt der Pionierära. Seitdem ist der Mond zwar Ziel unzähliger Fantasien und Versprechen geblieben – doch der letzte wirkliche Besuch ist nun über ein halbes Jahrhundert her.

Zurück zur Erde, zurück nach Europa.

Im Jahr 1816 wird Indiana als 19. Bundesstaat in die Vereinigten Staaten aufgenommen – ein scheinbar amerikanisches Ereignis, das aber auch mit europäischer Geschichte verknüpft ist. Denn viele Einwanderer aus Deutschland, Irland und Frankreich siedeln sich in dieser Zeit dort an. Die Neue Welt wird auch zur Projektionsfläche alter Weltansprüche – und Sehnsüchte.

Ein ganz anderes Bild bietet sich im Jahr 2018 in Straßburg. Ein bewaffneter Islamist verübt am Abend des 11. Dezember einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in der Innenstadt. Der Terror, der schon lange kein rein städtisches Problem mehr ist, trifft einen Ort der Besinnlichkeit. Fünf Menschen sterben. Es ist ein Ereignis, das schmerzt – und nachwirkt. Denn es führt uns vor Augen, wie fragil Sicherheit in Zeiten ideologischer Radikalisierung geworden ist.

Wie also diesen Tag begreifen?

Ist er ein Tag des Aufbruchs, der Prozesse, der großen Umwälzungen? Oder eher ein Spiegel der Widersprüche unserer Geschichte?

Vielleicht beides. Der 11. Dezember ist einer dieser Tage, an dem sich Historie verdichtet wie der Atem im Winter – sichtbar, kühl, aber voller Leben. Er ist kein weltbekannter Feiertag, kein Gedenktag mit Flaggen und Reden. Doch gerade deshalb lohnt es sich, ihn genauer zu betrachten.

Denn er zeigt: Geschichte passiert nicht nur an den großen Jubiläen, sie passiert täglich. Manchmal mit einem Paukenschlag. Manchmal leise und unscheinbar.

So wie an einem 11. Dezember.

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