Tag & Nacht




Es gibt Tage, an denen sich die Ereignisse geradezu drängen – an denen Historie aufeinanderprallt, als hätte sich die Welt verabredet, alles gleichzeitig zu erleben. Der 25. März ist so ein Datum. Er führt uns durch Revolutionen und Verträge, durch tragische Unglücke, epochale Kunstwerke und diplomatische Meilensteine. Frankreich spielt dabei – mal am Rande, mal im Mittelpunkt – immer wieder eine entscheidende Rolle.


1957: Die Römischen Verträge – Grundstein der Europäischen Union

Rom, Palazzo dei Conservatori. Es ist ein sonniger Frühlingstag, als sechs europäische Staaten eine Unterschrift setzen, die das Fundament für etwas viel Größeres legt: Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande schließen die „Römischen Verträge“.

Diese begründen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM). Das Ziel: wirtschaftliche Zusammenarbeit, Frieden durch Handel, politische Annäherung. In Frankreich wurde der Vertrag mit Spannung aufgenommen – nach Jahren der Rivalität mit Deutschland bedeutete dieser Schritt ein starkes Signal: Kooperation statt Konfrontation.

Heute gilt der 25. März 1957 als Geburtsstunde der EU. Und wer hätte damals gedacht, dass aus dieser bescheidenen Gründungsurkunde einmal ein Staatenverbund mit fast 450 Millionen Menschen entstehen würde?


1911: Triangle Shirtwaist Factory Fire – ein Wendepunkt der US-Arbeitsrechtsgeschichte

In New York bricht am 25. März 1911 ein Feuer in der Textilfabrik Triangle Shirtwaist Factory aus – in den oberen Stockwerken eines Hochhauses nahe des Washington Square. Innerhalb weniger Minuten sind 146 Menschen tot, die meisten junge Einwanderinnen aus Italien und Osteuropa.

Die Türen waren während der Arbeitszeit abgeschlossen – eine gängige Praxis, um Diebstahl zu verhindern. Der Fluchtweg? Kaum existent. Viele Frauen springen aus den Fenstern – manche Hand in Hand.

Die Katastrophe löst eine Welle der Empörung aus. In der Folge entstehen in den USA erstmals ernstzunehmende Arbeitsschutzgesetze. Frankreich verfolgt die Debatte aufmerksam – und beginnt in den darauffolgenden Jahren, ebenfalls Arbeitszeitregelungen und Sicherheitsstandards neu zu bewerten.

Ein grausames Ereignis – und doch der Anfang eines grundlegenden Wandels.


1802: Das Konkordat zwischen Napoleon und dem Papst

Zurück ins Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts. Nach den Wirren der Revolution herrscht religiöse Unruhe – Kirchen wurden entweiht, Priester verfolgt, Gläubige verunsichert. Am 25. März 1802 unterzeichnet Napoleon Bonaparte das Konkordat mit Papst Pius VII.

Es ist ein genialer Schachzug: Der Staat erkennt das Christentum wieder offiziell an, behält aber gleichzeitig die Oberhand über kirchliche Ernennungen. Die Kirche bekommt ihre Autorität zurück – doch nicht ihre Macht. Napoleon balanciert zwischen Pragmatismus und politischem Kalkül.

Bis heute markiert dieses Konkordat den Beginn einer neuen Beziehung zwischen Kirche und Staat in Frankreich – und es zeigt, wie Religion und Macht oft ein komplexes, manchmal widersprüchliches Bündnis eingehen.


1975: Beginn des saudischen König-Faisal-Mordprozesses

Ein weiterer 25. März, dieses Mal im Nahen Osten. Zwei Tage zuvor wird König Faisal von Saudi-Arabien während einer Audienz von seinem eigenen Neffen erschossen. Am 25. März beginnt die Untersuchung – weltweit wird über Motive spekuliert: religiöser Fanatismus? Politischer Protest? Persönliche Rache?

Frankreich, das enge wirtschaftliche Verbindungen zur Region pflegt, verfolgt den Fall mit besonderem Interesse. Die Ereignisse werfen ein grelles Licht auf die Instabilität in einer Region, die für Frankreichs Energieversorgung von zentraler Bedeutung ist. Und sie zeigen, wie selbst monarchische Systeme mit plötzlicher Gewalt konfrontiert werden können.


421 n. Chr.: Gründung von Venedig – eine Stadt auf Pfählen

Eine Gründungslegende, die so märchenhaft ist, dass man sie fast nicht glauben will. Am 25. März 421 – so die Überlieferung – wird die erste Kirche Venedigs, San Giacomo di Rialto, geweiht. Die Lagunenstadt beginnt als Zufluchtsort vor barbarischen Invasionen – und wächst über Jahrhunderte zu einem Zentrum des Handels, der Kunst und der Diplomatie.

Frankreichs Verhältnis zu Venedig? Ambivalent. Während der Napoleonischen Kriege marschieren französische Truppen in die Stadt ein – und beenden 1797 die fast tausendjährige Unabhängigkeit der Republik Venedig. Eine stille Rivalität zwischen zwei kulturellen Giganten Europas, ausgetragen mit Kanonen und Kompositionen.


1977: Flugzeugkatastrophe von Teneriffa – die tödlichste der Luftfahrtgeschichte

Zwei Boeing 747 – eine der KLM, eine der Pan Am – kollidieren bei dichtem Nebel auf der Startbahn des Flughafens Los Rodeos. 583 Menschen sterben. Das tragische Unglück am 25. März 1977 erschüttert die Welt.

Ein Zusammenspiel aus Missverständnissen, schlechten Wetterverhältnissen und mangelnder Kommunikation im Funkverkehr führt zu einer Katastrophe, die vermeidbar gewesen wäre. Auch viele französische Touristen sind unter den Opfern – ein Schockmoment, der das Thema Flugsicherheit international in den Fokus rückt.

Seitdem hat sich viel getan: Standardisierte Phrasen, mehrsprachige Schulungen, klare Protokolle – alles Lehren aus einem einzigen schrecklichen Fehler.


Ein Hauch Kultur: Die Premiere von „Die Ankunft eines Zuges“

Am 25. März 1896 zeigen die Brüder Lumière in Paris ihren berühmten Kurzfilm L’arrivée d’un train en gare de La Ciotat. Der Mythos will, dass Zuschauer panisch aus dem Saal flüchteten – aus Angst, der Zug würde sie überrollen. Auch wenn das wohl übertrieben ist: Die Szene markiert den Beginn des Kinos als Massenphänomen.

Frankreich als Geburtsland des Kinos – dieser Tag ist ein Meilenstein. Und das Kino? Es wurde zur neuen Kunstform des 20. Jahrhunderts. Kein Wunder also, dass Frankreich den 25. März in cineastischen Kreisen bis heute feiert.


Nicht zu vergessen: Der 25. März im Kalender der Symbolik

Auch religiös hat der Tag Gewicht. In der christlichen Tradition gilt der 25. März als „Verkündigung des Herrn“ – jener Moment, an dem der Erzengel Gabriel Maria die Geburt Jesu ankündigt. Dieser Termin war im Mittelalter so bedeutsam, dass er in manchen Regionen sogar als Jahresbeginn diente – etwa in England vor Einführung des Gregorianischen Kalenders.

Und Frankreich? Auch dort galt der 25. März in einigen Provinzen lange als „Année de Grâce“ – eine Art spiritueller Neuanfang im Jahreslauf.


Was bleibt von einem Tag wie diesem?

Der 25. März ist wie ein Kaleidoskop der Weltgeschichte: bunt, widersprüchlich, faszinierend. Er zeigt Machtpolitik und Menschlichkeit, Kunst und Katastrophe, Anfänge und Enden – manchmal im selben Atemzug.

Und vielleicht liegt gerade darin seine besondere Bedeutung. Denn dieser Tag erinnert uns daran, dass Geschichte nie linear verläuft. Sie ist ein Mosaik aus kleinen Momenten und großen Umbrüchen, aus Zufällen und Entscheidungen.

Wer weiß – vielleicht schreiben wir ja selbst gerade an einem der nächsten Kapitel.

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