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Eine befürchtete massive Wahlenthaltung bei den Präsidentschaftswahlen liesse sich zwar durch die Pandemie und die Ukraine-Krise erklären, aber die Ablehnung der politischen Institutionen und ihrer Vertreter ist eher Ausdruck einer breiten Unzufriedenheit.

Die Wahlenthaltung könnte dem zukünftigen Präsidenten oder der zukünftigen Präsidentin der Republik durchaus Probleme bereiten. Wenige Tage vor dem ersten Wahlgang befürchten die Meinungsforschungsinstitute eine Wahlbeteiligung, die sogar historisch niedrig für eine Präsidentschaftswahl ausfallen könnte.

Laut einer aktuellen Ipsos-Studie für Franceinfo könnten nur 65 bis 69% der Wahlberechtigten zur Wahl gehen. Die Wahlenthaltung könnte daher am 10. April durchaus die 30%-Marke überschreiten, was einen Rekord für eine Präsidentschaftswahl bedeuten würde.

Angesichts der Covid-19-Epidemie und des Krieges in der Ukraine fiel es den Kandidaten schwer, sich bei den Franzosen entsprechend bekannt zu machen. Und die Weigerung, zur Wahl zu gehen, wird von vielen enttäuschten Wählern weiterhin als Waffe des Protests eingesetzt.

Im Gegensatz zu den Präsidentschaftswahlen 2017 gab es in diesem Wahlkampf keine herausragenden Punkte und Positionen, die die Franzosen in ihrem Alltag direkt getrafen und aufrütteln konnten. Die politische Welt spricht über die Ukraine und Covid, aber nicht oder nur sehr wenig über die Kaufkraft, die jedoch die Hauptsorge der Wähler ist. Vor fünf Jahren gab es da auffälligere Positionen. Marine Le Pen wollte den Euro verlassen, Benoît Hamon schlug die Einführung eines universellen Einkommens vor, François Fillon wollte die Zahl der Beamten reduzieren. Damals gingen 78% der Franzosen zur Wahl, was der durchschnittlichen Wahlbeteiligung bei Präsidentschaftswahlen seit 1959 entsprach.

Viele Franzosen sind ausserdem der Meinung, dass die Wiederwahl von Emmanuel Macron bereits feststeht, obwohl dies nicht unbedingt der Fall ist.

Die derzeit auf einem Tiefpunkt befindlichen Meinungsumfragen für die sozialistische Kandidatin Anne Hidalgo könnten die traditionellen Wähler der PS ebenfalls zur Wahlenthaltung verleiten. Viele PS-Wähler sind der Meinung, dass sie lieber nicht wählen gehen, als für eine Kandidatin zu stimmen, die keine Chance hat, sich für die zweite Runde zu qualifizieren.

Emmanuel Macron betont die Rolle der Medien.
„Anstatt zu sagen: ‚Das wird ein Drama, diese Wahl ist uninteressant‘, gehen Sie lieber los und erklären Sie den Landsleuten, dass dies eine wesentliche Wahl ist“, mahnte er die Medienvertreter. Er fügte hinzu: „Ich habe breite Schultern, ich will viele Dinge auf mich nehmen, aber ich betrachte mich nicht als allein verantwortlich für das, was im demokratischen Leben des Landes passiert. Wir sind alle verantwortlich“.


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