Tag & Nacht




Ein nächtlicher Einsatz, ein Dutzend Boote, rund 100 Einsatzkräfte und ein Coup, wie man ihn sonst nur aus Serien kennt: In der Nacht vom 3. auf den 4. April 2025 gelang der französischen Polizei ein Schlag gegen den organisierten Drogenhandel, der als Meilenstein gilt. 800 Kilo Kokain wurden sichergestellt, 30 Personen festgenommen – darunter Fischer, Logistiker und mutmaßliche Drahtzieher. Ort des Geschehens: die Küsten der Normandie. Und der Modus Operandi? Hochprofessionell – und brandgefährlich.

Drogenlieferung auf hoher See

Die Ermittler staunten nicht schlecht, als sie die Einzelheiten des „Drop-off“-Verfahrens entschlüsselten. Bei dieser Technik werden Pakete mit Drogen – meist Kokain – von Frachtschiffen in internationalen Gewässern ins Meer geworfen. Kleine, wendige Boote nehmen die Lieferung auf, bringen sie an Land und verteilen sie weiter. Was wie ein Drehbuch aus einem Mafiafilm klingt, ist in Wahrheit ein ausgeklügeltes System, das nur selten aufgedeckt wird.

Doch dieses Mal klappte es. Und wie.

Monatelange Ermittlungen und ein sensibler Zugriff

18 Monate lang hatten die Behörden Observierungen durchgeführt, Kommunikationsmuster analysiert und internationale Frachtschiffe ins Visier genommen. Als Hinweise auf eine baldige Lieferung eingingen, wurde das Puzzle schnell zusammengefügt.

In der Nacht des Zugriffs koordinierte man ein Großaufgebot: Spezialeinheiten des RAID, Beamte der Kriminalpolizei, maritime Einsatzkräfte. Der Zugriff erfolgte, als die kleinen Boote nach erfolgreichem „Abholen“ der Drogen wieder an Land kamen – in Ouistreham, Tancarville und Le Havre.

Festgenommen wurden dabei unter anderem drei Fischer, zwei Frauen und mehrere Logistiker. Zeitgleich wurde ein Frachtschiff aus Brasilien, das eigentlich Amsterdam als Ziel hatte, vorübergehend festgesetzt – mit einer Crew aus 22 philippinischen Seeleuten, die nun ebenfalls vernommen wird.

Ein Novum in Frankreich

Der zuständige Staatsanwalt aus Rennes zeigte sich beeindruckt: „In dieser Form ist uns so etwas in Frankreich noch nicht untergekommen.“ Nicht nur die Professionalität des Netzwerks, sondern auch die logistische Komplexität der Operation stellte die Behörden vor Herausforderungen – die sie jedoch meisterten.

Die „Drop-off“-Methode wurde bislang vor allem in Lateinamerika, Portugal oder Spanien beobachtet. Dass sie nun auch systematisch an der französischen Küste auftaucht, ist ein deutliches Warnsignal.

Warum gerade die Normandie?

Der Hafen von Le Havre ist längst mehr als ein regionaler Umschlagplatz – er gilt als Knotenpunkt für den internationalen Drogenhandel in Europa. Schon 2022 waren dort mehr als 10 Tonnen Kokain sichergestellt worden, ein massiver Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Die Lage an der Atlantikküste, die Dichte des Schiffsverkehrs und die teils schwer kontrollierbaren Hafenzugänge machen das Gebiet für Schmuggler besonders attraktiv.

Man fragt sich: Wie viele dieser Transporte blieben bislang unentdeckt?

Ein Signal an die Szene

Die französischen Behörden werten diesen Erfolg nicht als Endpunkt, sondern als wichtigen Etappensieg. Man habe gezeigt, dass man auch ausgeklügelte Methoden durchkreuzen könne – wenn man flexibel bleibt und moderne Ermittlungsarbeit leistet. Doch sie wissen auch: Die Gegenseite schläft nicht. Die Kartelle verfügen über Geld, Technik und weltweite Netzwerke. Und sie sind anpassungsfähig.

Umso wichtiger ist es, nicht nur auf vergangene Taktiken zu reagieren, sondern vorauszudenken.

Die Schattenseite der Globalisierung

Dieser Fall wirft erneut ein grelles Licht auf die Realität des modernen Drogenhandels: Er ist global vernetzt, hoch technologisiert und operiert oft genau dort, wo staatliche Kontrolle an ihre Grenzen stößt – wie auf dem offenen Meer. Der Kampf dagegen gleicht einem Wettrüsten: Jede Innovation der Kriminellen verlangt eine noch raffiniertere Reaktion der Ermittler.

Aber: Mit Entschlossenheit, guter Koordination und internationaler Zusammenarbeit lassen sich selbst große Netze zerschlagen. Der Einsatz in der Normandie hat das eindrucksvoll bewiesen.

Von Andreas M. B.

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