Tag & Nacht

Nach Ansicht seiner Kollegen ein Held, für die Behörden jedoch ein Kandidat für die Abschiebung. Am Mittwoch, dem 20. Juli, rettete Mouktar, der in einem Lagerhaus in Toulouse beschäftigt war, einem Lieferanten das Leben. Zwei Stunden später wurde er von der Polizei festgenommen. Der 25-jährige Flüchtling aus dem Tschad, der keinen gültigen Aufenthaltstitel hat, läuft nun Gefahr, abgeschoben zu werden.

Dies ist die Geschichte eines Mannes, der erst zum Helden wurde, aber nun abgeschoben werden soll. Hier die Fakten: Am Mittwoch, dem 20. Juli, kurz vor 7 Uhr morgens, lieferte ein Fahrer Waren im Lager der Versandwebsite „Rentreediscount.com“ in Toulouse ab. Die Website verkauft Schulbedarf und ist nur saisonal tätig. Im Juli und August arbeiten fast 400 Personen in dem Lager.

Herzmassage
Der Auslieferungsfahrer erleidet einen Schwächeanfall und bricht zusammen. Zwei Beschäftigte des Lagers kommen ihm zu Hilfe. Unter ihnen ist Mouktar. Dank der Herzmassage des 25-jährigen aus dem Tschad bis zum Eintreffen der Rettungskräfte kann das Opfer gerettet werden.

Eine mutige Tat, die vom Online-Shop öffentlich auf Twitter gelobt wurde.

Doch nur zwei Stunden nach seinem Einsatz wird Mouktar an seinem Arbeitsplatz von der Polizei verhaftet. Der junge Mann wird in das Verwaltungsabschiebezentrum Cornebarrieu gebracht, da ers sich illegal in Frankreich aufhielt. Bereits im Februar 2022 teilte ihm die Präfektur des Departements Haute-Garonne mit, dass er in sein Heimatland abgeschoben werden solle. Ein Dokument, das der junge Mann nach eigenen Angaben nie erhalten hat.

Als er festgenommen wird, ist Mouktar im Besitz einer „Bescheinigung über den Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels“. Ein Dokument, das es ihm erlaubt, auf französischem Hoheitsgebiet zu bleiben und dort zu arbeiten, bis die Präfektur eine Entscheidung getroffen hat. Das Problem ist aber, dass dieses Dokument gefälscht ist. Es war eigentlich am 18. April 2022 abgelaufen, doch auf dem Dokument staht das Datum 18. Oktober.

Gefälschtes Dokument
Der Arbeitgeber wusste anscheinend nichts davon und ging davon aus, dass der Aufenthaltstitel ihres Mitarbeiters gültig ist. „Wenn wir ausländisches Personal einstellen, stellen wir eine Anfrage bei der Präfektur, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist. Wenn sie nicht innerhalb von 48 Stunden antwortet, bedeutet das, dass alles in Ordnung ist“, erklärt Marie Lys, die Leiterin des Lagers.

Das alles das ändert nichts an der Welle der Solidarität für den jungen Flüchtling: Dankbar für seinen Einsatz und gerührt von seiner Geschichte, haben Mouktars Kollegen eine Petition gestartet, damit er in Frankreich bleiben kann. Fast 150 Personen haben bereits unterschrieben.

Am Freitagnachmittag, dem 22. Juli, wurde der Migrant dem Haftrichter im Justizpalast von Toulouse vorgeführt. Seine Pflichtverteidigerin, Rechtsanwältin Elfried Dupuy-Shabin, erklärte: „Es geht darum zu sehen, ob zwischen seiner Festnahme, den Bedingungen seiner Inhaftierung und dem laufenden Verfahren alles vorschriftsmäßig abgelaufen ist“.

Die Anwältin aus Toulouse hatte Erfolg. Laut dem Richter gab es seitens der Präfektur der Haute-Garonne „einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung der persönlichen Situation des Betroffenen“. Als Ergebnis könnte Mouktar bald wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Es sei denn, die Staatsanwaltschaft legt Berufung ein.

Laut der Anwältin aus Toulouse „hat seine mutige Tat zweifellos zu dieser Entscheidung beigetragen, ebenso wie die Unterstützung, die er von seinen Kollegen und seinem Arbeitgeber erhalten hat. Aber das ist natürlich nicht alles. Die Akte der Präfektur war schlecht ausgearbeitet.“

Dennoch ist der Tschader noch nicht über den Berg. Er muss einen neuen Antrag auf Regularisierung stellen und kann derzeit nicht wieder in dem Warenlager in Toulouse arbeiten.

Präzedenzfall Mamoudou Gassama
Die Geschichte Mouktars ist dem Schicksal von Mamoudou Gassama nicht unähnlich. Im Jahr 2018 hatte der junge Malier, der sich damals auch illegal in Frankreich aufhielt, ein Kind vor einem tödlichen Sturz aus dem vierten Stock gerettet, indem er an der Fassade eines Pariser Gebäudes hochkletterte. Dank seiner mutigen Tat, die ihm den Spitznamen „Spiderman“ einbrachte, wurde er vom französischen Staatspräsidenten empfangen und erhielt eine Aufenthaltsgenehmigung.


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