Es ist Mittwochmorgen, 11. Juni 2025. Die Sonne kämpft sich gerade über den Pariser Horizont, als auf den Straßen der Hauptstadt und in der gesamten Île-de-France der Verkehr zusammenbricht. Kein Unfall, kein Sturm – sondern eine geplante, flächendeckende Protestaktion der Taxifahrer. Mit ihren hupenden Fahrzeugkolonnen und zähfließenden „Opérations escargot“ machen sie deutlich: Jetzt reicht’s!
Frankreichs Taxifahrer schlagen Alarm
Schon ab den frühen Morgenstunden sind sie unterwegs – Hunderte Taxis, die zielstrebig das Wirtschaftsministerium in Bercy ansteuern. Doch das ist nur der Anfang. Fast gleichzeitig blockieren sie die Hauptverkehrsadern A1, A6, A10, A13 und A15. Der Verkehr steht. Laut dem Verkehrsinformationsdienst Sytadin summiert sich das Chaos auf unglaubliche 377 Kilometer Stau – ein neuer Negativrekord.
Auch die Flughäfen Roissy-Charles-de-Gaulle und Orly bleiben nicht verschont. Reisende und Pendler stranden, Navettes stehen still, es geht nur noch zu Fuß. Der Unmut in der Bevölkerung wächst – doch der Protest der Taxifahrer ist nicht unbegründet.
Auslöser des Protests ist eine geplante Reform des Transportwesens im Gesundheitsbereich. Ab dem 1. Oktober 2025 soll eine neue Vergütungsregel für Krankentransporte in Kraft treten. Statt individueller Abrechnung ist ein pauschaler Betrag von 13 Euro vorgesehen, ergänzt durch einen Kilometerpreis. Das klingt auf den ersten Blick harmlos – doch für viele Taxifahrer, vor allem im ländlichen Raum, ist das eine finanzielle Bedrohung.
Denn häufig fahren sie weite Strecken leer zurück, warten stundenlang vor Arztpraxen – unbezahlt. Diese Realität ignoriert die neue Regelung, meinen viele. Und dann ist da noch das große Reizthema: die Konkurrenz der VTC-Fahrer (Fahrdienste wie Uber). Diese würden, so die Taxifahrer, unter deutlich lockereren Bedingungen arbeiten, sich um Lizenzpflichten drücken und den Markt verzerren. Das empfinden viele als unfair – und als direkten Angriff auf ihre Existenz.
Was fordern die Fahrer konkret?
Neben der Rücknahme der neuen Tarife verlangen die Taxifahrer eine stärkere Regulierung der VTC-Plattformen. Fairer Wettbewerb müsse her – mit gleichen Regeln für alle. Zudem solle endlich gegen Schwarzarbeit und illegale Fahrten vorgegangen werden. Ein alter Konflikt flammt erneut auf – doch diesmal mit voller Wucht.
Gesundheitsminister Yannick Neuder zeigt sich gesprächsbereit. Noch im Juni will er sich mit den Taxiverbänden an einen Tisch setzen. Sein Ziel: Lösungen finden, die sowohl für das Gesundheitswesen als auch für die Fahrer tragbar sind. Doch der Ton der Gewerkschaften lässt ahnen, dass es nicht bei freundlichen Gesprächen bleiben wird. Dominique Buisson von der FNDT kündigt an: Sollte es keine konkreten Fortschritte geben, werde man „das Land lahmlegen“.
Ein Bluff? Oder eine ernst gemeinte Warnung?
Leidtragende: Die ganz normalen Menschen
Während Politiker verhandeln und Verbände protestieren, bleiben die Fahrgäste auf der Strecke – im wahrsten Sinne des Wortes. Flugreisende verpassen ihre Maschinen, Krankenfahrten verzögern sich, Pendler stranden in Vororten. Die Behörden raten zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel – etwa dem RER B nach Roissy oder der neuen Linie 14 zum Flughafen Orly.
Doch nicht jeder kann einfach umsteigen. Ältere, Kranke, Menschen mit eingeschränkter Mobilität – sie trifft die Situation besonders hart.
Was hier auf den Straßen geschieht, ist mehr als ein Aufschrei wegen neuer Tarifmodelle. Es ist ein Hilferuf einer Branche, die sich zunehmend unter Druck fühlt. Zwischen Digitalisierung und staatlichen Sparplänen bleibt für viele das Gefühl zurück, abgehängt zu sein. Und der Ruf nach Gerechtigkeit wird lauter – auf vier Rädern, mit Hupkonzerten und Blockaden.
Ob die Regierung das Heft des Handelns noch in die Hand bekommt?
Eines ist sicher: Ohne eine faire, nachhaltige Lösung droht die Lage weiter zu eskalieren – nicht nur in Paris, sondern landesweit.
Von Andreas M. Brucker
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