Die Koffer sind gepackt, die Kinder zappeln vor Urlaubsfreude – doch am Flughafen herrscht Stillstand.
Am Vorabend des Beginns der großen Sommerferien legen französische Fluglotsen mit einem zweitägigen Streik weite Teile des Luftverkehrs lahm. Bis zu 50 Prozent der Flüge wurden an einigen Flughäfen gestrichen. Für viele Reisende platzt damit der Traum vom reibungslosen Start in die Ferien.
Was steckt dahinter?
Die beiden Gewerkschaften UNSA-ICNA und USAC-CGT, die bei den letzten Berufsvertretungswahlen 17 bzw. 16 Prozent der Stimmen erhielten, haben für den 3. und 4. Juli zum Streik aufgerufen.
Ihre Vorwürfe sind deutlich:
Seit Jahren fehle Personal in den Kontrollzentren, der Druck wachse unaufhörlich, das Management agiere autoritär, ja toxisch, so die Wortwahl. Die technischen Systeme gelten vielerorts als veraltet. Immer wieder habe man die Luftfahrtbehörde DGAC gewarnt, doch diese habe es versäumt, rechtzeitig Nachwuchs auszubilden und einzustellen.
Ein weiteres Streitthema sorgt für Unmut – die Einführung biometrischer Zeiterfassungssysteme. Für die Gewerkschaft UNSA-ICNA ist das eine Form digitaler Dauerüberwachung. Kontrolleure würden so auf bloße „Produktivitätsfaktoren“ reduziert.
Ein Streik zur Unzeit
Der Zeitpunkt könnte kaum schlechter sein. An Frankreichs Flughäfen startet die erste große Urlaubswelle. Die DGAC forderte nach der Streikankündigung die Airlines auf, ihre Flugpläne drastisch zu kürzen.
Am Mittwoch, dem 3. Juli, wurden in Paris-Charles-de-Gaulle, Orly und Beauvais rund 25 Prozent der Flüge gestrichen. In Lyon, Marseille, Montpellier, Ajaccio und Figari fallen 30 Prozent aus. Am schlimmsten traf es den Süden: Nizza, Bastia und Calvi mussten bis zu 50 Prozent ihrer Verbindungen absagen.
Der Donnerstag bringt keine Entspannung. In Nizza hebt nur noch jeder zweite Flieger ab, in Paris und Beauvais fallen 40 Prozent aus. Auch Lyon, Marseille und mehrere korsische Flughäfen bleiben stark betroffen.
Besonders hart trifft es Reisende Richtung Süden. Viele Kontrollzentren im Süden gelten als Hochburgen der streikenden UNSA-ICNA – zum Beispiel Aix-en-Provence.
Urlaubspläne am Boden
Wer jetzt am Terminal steht, blickt auf Anzeigetafeln voller roter Mitteilungen. Annulé. Cancelled. Gestrichen.
Die Enttäuschung steht den Passagieren ins Gesicht geschrieben. Familien, die seit Monaten auf ihre Reise gespart haben. Geschäftsleute mit wichtigen Terminen. Liebespaare, die dem Alltag entfliehen wollten. Alle eint dieselbe Frage: Wann geht es endlich weiter?
„Nicht hinnehmbar“ – Politik und Airlines empört
Philippe Tabarot, Frankreichs Verkehrsminister, äußerte sich ungewöhnlich scharf. Für ihn sind die Forderungen der „gewerkschaftlichen Minderheit“ unverständlich, gerade jetzt zum Ferienstart.
Die Airline-Vereinigung Airlines for Europe, die rund 70 Prozent des europäischen Luftverkehrs vertritt, ließ ebenfalls kein gutes Haar an dem Streik. Tausende Urlauber würden um ihre Ferien gebracht – das sei unverhältnismäßig und schade der gesamten Branche.
Die DGAC unter Druck
Die französische Luftfahrtbehörde wiederum zeigt sich um Deeskalation bemüht. Man räume ein, dass der Personalmangel real sei. Daher verfolge man bereits einen mehrjährigen Plan, um neue Fluglotsen auszubilden und zu rekrutieren. Doch die Ausbildung ist langwierig. Fluglotsen müssen komplizierte Szenarien trainieren, tausende Vorschriften lernen und auf jede erdenkliche Notlage vorbereitet sein. Bis neue Kräfte die Teams in den Kontrolltürmen verstärken können, dauert es Jahre.
Ein System am Limit
Frankreich ist eine zentrale Drehscheibe im europäischen Luftraum. Täglich kreuzen sich hier Flugbahnen von Nord nach Süd, Ost nach West. Schon kleinere Ausfälle im französischen Kontrollnetz wirken wie ein Stau auf der Autobahn: Sie bremsen den gesamten Verkehr aus, weit über die Landesgrenzen hinaus.
Die Gewerkschaften verweisen darauf, dass bereits jetzt viele Lotsen an der Belastungsgrenze arbeiten. Immer wieder würden Schichten zu knapp besetzt. Fehler wären fatal. Ihr Ziel sei kein Dauerstreik, sondern endlich langfristige Lösungen.
Was können Passagiere tun?
Wer diese Woche fliegen wollte, sollte nicht einfach auf gut Glück zum Flughafen fahren.
Fluggäste sollten den Status ihres Fluges direkt bei der Airline oder am Airport prüfen, bevor sie sich auf den Weg machen. Bei annullierten Verbindungen gilt: Fluggesellschaften sind verpflichtet, entweder eine Ersatzbeförderung oder eine vollständige Rückerstattung des Ticketpreises anzubieten.
Und wer flexibel ist, sollte – so raten Verbraucherschützer – prüfen, ob eine Umbuchung auf einen späteren Tag möglich ist. Denn der Sommer ist lang, der Streik dagegen hoffentlich bald vorbei.
Ein Konflikt mit Ansage
Schon seit Monaten gärt es hinter den Kulissen. Die Fluglotsen fühlen sich übergangen, die DGAC verweist auf ihre Personaloffensive, Airlines und Regierung beklagen einen volkswirtschaftlichen Schaden. Doch was wie ein unlösbarer gordischer Knoten wirkt, hat eine klare Botschaft: Ein modernes Luftverkehrssystem funktioniert nur, wenn Mensch und Technik reibungslos zusammenspielen – und alle Beteiligten an einem Strang ziehen.
Die Urlauber jedenfalls hoffen, dass die Verhandlungen schnell vorankommen. Schließlich gibt es Besseres, als den Sommerurlaub am Flughafen zu verbringen.
Oder?
Von Andreas M. Brucker
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