Als Emmanuel Macron am 5. Juli 2025 überraschend beim Meeting der «Jeunes avec Macron» in Paris erschien und sagte: «J’aurai besoin de vous dans deux ans, in fünf Jahren, in zehn Jahren», sorgte er damit für Spekulationen. Es war weit mehr als eine floskelhafte Ansprache: Die Formulierung lässt eine langfristige politische Perspektive erkennen – mit der Möglichkeit eines dritten Mandats als Präsident.
Zwischen den Zeilen einer verfassungsrechtlichen Lücke
Die französische Verfassung verbietet mehr als zwei aufeinanderfolgende Präsidentialmandate, nicht jedoch eine Rückkehr nach einer Unterbrechung. So könnte Macron nach Auslaufen seines zweiten Mandats 2027 erneut antreten – rechtlich wäre das frühestens 2032 möglich.
Auch seine Aussage im Mai bei TF1, wonach er «nach Ende des Mandats über die weitere Zukunft nachdenken» werde, war bewusst offen formuliert, ohne Bestätigung, aber auch ohne kategorische Absage. Damit wahrt Macron seinen Handlungsspielraum für ein eventuelles Comeback.
Politisches Umfeld bis 2027
Macrons zweites Mandat gleicht einer Achterbahnfahrt: Beginnend mit dem Verlust der absoluten Mehrheit nach den Parlamentswahlen 2024, gefolgt von einer instabilen Regierungsbildung unter Premierminister François Bayrou, bis hin zu einer möglichen erneuten Auflösung der Nationalversammlung und möglichen Neuwahlen. Diese innenpolitischen Turbulenzen schwächen seine Autorität.
Auf der internationalen Bühne jedoch präsentiert er sich weiterhin als erfahrener europäischer Staatsmann, der auf EU- und NATO-Gipfeln Frankreichs Rolle als sicherheitspolitische und wirtschaftliche Macht behauptet. Dieses Profil kann seine Aura über 2027 hinaus stützen.
Interne Machtbalance und Rivalitäten
Innerhalb des zentristischen Lagers bahnen sich Machtkämpfe an: Gabriel Attal, ehemaliger Premierminister, gilt als aussichtsreicher Kandidat für 2027. Beim besagten Jugend-Meeting machte er seine Absichten deutlich. Doch Macron vermied es, ihn klar zu unterstützen – ein Zeichen für strategische Zurückhaltung. Er wahrt damit die Kontrolle über die Nachfolgefrage, ohne sich zu früh zu exponieren.
Politische Beobachter sprechen bereits von einem «verdeckten 2032-Plan»: Macrons Umfeld hält ein Comeback für realistisch, sofern er seine Strukturen und Netzwerke innerhalb der Partei aufrechterhält.
Öffentliche Grundstimmung: Fluch oder Fundament?
Macrons Popularität schwankt erheblich. Umfragen der letzten Monate zeigen eine breite Unzufriedenheit mit seiner Amtsführung. Gleichzeitig gilt er, trotz sinkender Zustimmungswerte, vielen Wählern der Mitte als Garant für Stabilität und europäische Verankerung Frankreichs. Diese Ambivalenz könnte für eine Rückkehr sowohl Chance als auch Hindernis sein.
Sollte es ihm gelingen, bis 2027 seine Partei geschlossen hinter einem Kandidaten zu versammeln und sich selbst als elder statesman im Hintergrund zu profilieren, würde er die Basis für einen späteren Wiedereintritt ins politische Zentrum legen.
Szenarien für 2032
1. Konsolidierung im Zentrum
Gelingt es ihm, die politische Mitte bis 2027 zu stabilisieren und seine Bewegung organisatorisch stark zu halten, könnte er 2032 mit klarer Rückendeckung antreten.
2. Rechtsrutsch und Gegenbewegung
Ein möglicher Wahlsieg des Rassemblement National würde das Bedürfniss der Wähler nach einer erfahrenen zentristischen Alternative erhöhen. Macron könnte sich dann erneut als Bollwerk gegen populistische Umwälzungen präsentieren.
3. Strategische Erneuerung
Zwischen 2027 und 2032 müsste er seine politische Relevanz über internationale Institutionen, Thinktanks oder NGOs neu aufbauen. Ein solcher Zwischenschritt wäre vergleichbar mit der russischen Konstellation unter Putin und Medwedew 2008–2012, wenn auch institutionell grundverschieden.
Risiken und Limitierungen
Rechtlich ist eine Rückkehr Macrons zwar möglich, doch bisher fehlt ein Präzedenzfall in Frankreich. Eine öffentliche Debatte über Amtszeitbegrenzungen könnte im Zuge einer solchen Kandidatur neu aufflammen. Hinzu kommt die Hypothek seiner bisherigen Präsidentschaften: Rentenreform, soziale Spannungen und Vertrauensverluste in Teilen der Bevölkerung könnten sein Image dauerhaft beschädigen.
Sollte 2027 ein zentristischer oder linker Kandidat erfolgreich die Präsidentschaft übernehmen, wäre es für Macron schwierig, sich als unverzichtbare Alternative darzustellen. Sollte hingegen die extreme Rechte gewinnen, könnte sein Comeback-Versuch als Wiederherstellung des status quo ante mobilisieren.
Sicher ist: Macron hat mit seiner Bemerkung an die Jugendorganisation ein Signal gesetzt. Ob es zu einer Präsidentschaftskandidatur 2032 kommt, hängt entscheidend von seiner Fähigkeit ab, politische Relevanz zu bewahren, ein glaubwürdiges Narrativ der Erneuerung zu entwickeln und die gesellschaftliche Mitte Frankreichs erneut hinter sich zu versammeln.
Autor: P. Tiko
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!