Tag & Nacht


Sommer, Sonne, Sand – und eine saftige Geldstrafe? In Sables-d’Olonne, einer idyllischen Küstenstadt an der französischen Atlantikküste, gehört das künftig zum Urlaubsalltag. Wer in Badehose oder ohne Hemd durch die Straßen flaniert, riskiert jetzt bis zu 150 Euro Bußgeld. Was klingt wie eine bizarre Anekdote aus der Kategorie „Kurioses aus dem Urlaub“, ist Teil einer sehr bewussten Strategie der Stadtverwaltung – und ein Spiegelbild eines gesellschaftlichen Balanceakts.

Mehr als nur ein Dresscode

Der Bürgermeister Yannick Moreau bringt es mit feinem Spott auf den Punkt: „200 Jahre sablaiser Eleganz – das ist nicht dafür gedacht, in Unterhosen in unseren Gassen zu enden.“ Die neue Regelung ist mehr als eine ästhetische Fußnote. Es geht um Anstand, um Hygiene, um das Lebensgefühl eines Ortes, der sich zwischen touristischer Offenheit und kultureller Eigenheit positionieren muss.

Dass man in Badebekleidung nur am Strand etwas verloren hat, mag für viele selbstverständlich klingen. Doch in der Praxis verschieben sich die Grenzen: Wer schnell zum Bäcker huscht oder durch den Wochenmarkt schlendert, vergisst nicht selten, dass öffentliche Räume mehr sind als eine Verlängerung der Strandmatte.

Ein Verbot mit Augenzwinkern

Sables-d’Olonne geht die Sache mit Humor an. Die neue Regel wird von einer charmant-ironischen Plakatkampagne begleitet, die etwa fragt: „In der Stadt? Dann zieh dich an wie ein Stadtmensch!“ Und dennoch – hinter dem freundlichen Tonfall steckt eine klare Erwartung: Rücksicht auf die Lebensrealität der Einheimischen, die eben nicht nur auf Sommerfrische aus sind, sondern hier leben, arbeiten, einkaufen, ihren Alltag gestalten.

Diese Initiative ist kein isolierter Einzelfall. Auch andere französische Badeorte wie Arcachon, La Grande-Motte oder Cassis haben ähnliche Regelungen eingeführt. Der Trend ist eindeutig: Weg vom laissez-faire der 70er-Jahre, hin zu einem strukturierten Miteinander, bei dem Tourismus nicht automatisch alle sozialen Konventionen aushebelt.

Freiheit versus Gemeinschaftssinn

Natürlich lässt sich einwenden: Muss man wirklich regulieren, wie viel Haut jemand zeigt? Ist das nicht ein Eingriff in die persönliche Freiheit? Ja – und nein. Denn jede Freiheit endet dort, wo sie andere stört. Das ist der Knackpunkt. Wer auf freizügiges Sonnenbaden pocht, hat immerhin elf Kilometer Strand zur Verfügung, wie Bürgermeister Moreau süffisant anmerkt. Wer sich aber ins Zentrum begibt, betritt eben einen Raum, der anderen gehört – und wo andere Regeln gelten.

Bisher hat sich niemand juristisch gegen das neue Verbot gewehrt. Kein Protest, keine Klage, kein öffentlicher Aufschrei. Vielleicht, weil viele spüren: Diese Maßnahme zielt nicht auf Repression, sondern auf Respekt.

Zwischen Tradition und Tourismus

Die Entscheidung von Sables-d’Olonne wirft eine zentrale Frage auf: Wie bewahrt man in einer globalisierten Welt die kulturelle Identität eines Ortes, ohne Gäste auszuschließen? Es geht nicht nur darum, was getragen wird – sondern darum, was ein Ort sein will. Sables-d’Olonne positioniert sich als elegantes, familienfreundliches Ferienziel, das Tradition nicht als Folklore versteht, sondern als gelebtes Miteinander.

Vielleicht ist genau das die wahre Eleganz: Nicht im Outfit, sondern in der Haltung. Sich kleiden, wie es der Kontext verlangt. Sich benehmen, wie es der Raum gebietet. Die neue Regelung mag wie ein banales Kleidungsgebot wirken – in Wahrheit ist sie Ausdruck eines tiefgreifenden Bedürfnisses nach Zugehörigkeit, Respekt und Sinn für das Gemeinsame.

Und am Ende?

Bleibt eine rhetorische Frage: Ist ein Ort weniger gastfreundlich, wenn er um ein Mindestmaß an Kleidung bittet?

Oder ist genau das die moderne Form von Gastfreundschaft – eine, die ihre Identität kennt und ihre Besucher mit einem Augenzwinkern daran erinnert?

Autor: Andreas M. B.

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!