Tag & Nacht


Es ist wieder soweit: Kaum liegt halb Frankreich im August am Strand, tritt Jean-Luc Mélenchon auf den Plan. Mit einer Mischung aus Pathos, Trotz und kalkulierter Provokation erklärt er, die Republik müsse jetzt sofort auf die Barrikaden. Sommerpause? Egal. Haushaltspolitik? Details. Hauptsache, er selbst bleibt im Zentrum des Geschehens.

Ach, Herr Mélenchon… War es nicht genau dieses politische Theater, das so viele Franzosen satt haben? Das ewige Spiel zwischen pathetischem Gestus und institutioneller Ohnmacht? Zwischen Straßenromantik und parlamentarischer Arithmetik? Man muss nicht Bayrou-Anhänger sein, um zu erkennen: Hier geht es weniger um Politikgestaltung als um eine Inszenierung.

Symbolpolitik statt Substanz

Eine „Motion de censure“ mitten im August – ohne die geringste Aussicht auf Mehrheit. Und gleichzeitig ein Aufruf, das Land am 10. September „lahmzulegen“. Es wirkt wie eine Reinszenierung alter Träume: die „grande révolution“ auf Social Media. Nur ist Frankreich heute nicht 1789, nicht 1968 und nicht einmal mehr 2018, als die Gilets jaunes die Straßen füllten.

Statt einer klaren sozialen Agenda präsentiert Mélenchon eine politische Dauerprovokation. Weder erklärt er, wie die 44 Milliarden Euro Haushaltslöcher gefüllt werden sollen, noch, wie das Land regierbar bleibt. Alles, was zählt, ist das Spektakel – die Schlagzeile, der Konflikt, die Pose.

Die Linke im Schlepptau

Und doch: Seine Partei folgt ihm. Wieder und wieder. Die LFI macht sich zum Lautsprecher einer diffusen Unzufriedenheit, ohne sie in ein realistisches Programm zu überführen. Damit spielt Mélenchon objektiv dem Rassemblement National in die Karten. Denn während die LFI lärmt, wahrt Marine Le Pen die staatstragende Pose – und wirkt für viele Franzosen plötzlich wie die vernünftigere Alternative.

Verantwortung oder Show?

Was Frankreich bräuchte, wäre eine ehrliche Debatte über Prioritäten: Welche Ausgaben sind unverzichtbar, wo muss gespart werden, wie lassen sich soziale Härten abfedern? Was es bekommt, ist eine polarisierte Inszenierung, die nur das Gefühl verstärkt, dass die Institutionen blockiert sind.

Mélenchon will alles – jetzt, sofort, ohne Rücksicht auf Verluste. Aber Politik ist kein Straßenkampf und keine Theaterszene. Wer das Land regieren will, muss auch liefern können: Zahlen, Mehrheiten, Lösungen.

Ach, Herr Mélenchon… Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Ihr größter Gegner ist längst nicht François Bayrou. Sondern die Realität – und Sie selbst.

Ein Kommentar von Andreas M. Brucker

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