Tag & Nacht




US-Präsident Donald Trump ist dafür bekannt, häufig die Positionen der letzten Person zu übernehmen, mit der er gesprochen hat. Das dürfte erklären, warum europäische Staats- und Regierungschefs gestern eilig das Weiße Haus aufsuchten – sie wollten die Botschaft Wladimir Putins vom Gipfeltreffen in Alaska am Freitag mit Trump nicht unkommentiert lassen.

Also unterbrachen Präsidenten und Premierminister ihre Sommerferien, eilten innerhalb von weniger als 24 Stunden nach Washington – unter anderem von einer kleinen Halbinsel vor der Côte d’Azur. Die europäischen Spitzenpolitiker kamen, um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu unterstützen. Einer nach dem anderen überschüttete Trump mit Lob und Dankbarkeit – ein Ton, der ihm bekanntermaßen zusagt. (Man hat inzwischen gelernt, dass das bei ihm wirkt.) Immer wieder betonten sie ihre Prioritäten: Sicherheitsgarantien und ein Waffenstillstand – in genau dieser Reihenfolge.

Trump gab sich als zuvorkommender Gastgeber: Er lobte die gesunde Bräune des deutschen Kanzlers und das jugendliche Aussehen des finnischen Präsidenten. Zum Waffenstillstand äußerte er sich ausweichend. Mehrfach betonte er, in diesem Jahr bereits sechs Kriege weltweit beendet zu haben – ganz ohne formellen Waffenstillstand. Den Sicherheitsgarantien schien er zuzustimmen, auch wenn unklar blieb, wie diese konkret aussehen sollen. Er stellte fast schon in Aussicht, dass es binnen ein oder zwei Wochen ein „trilaterales Gespräch“ geben werde – ein Dreiergespräch zwischen ihm, Putin und Selenskyj.

Ein Überblick über die Gespräche vom Montag, die Aussichten auf ein Friedensabkommen – und was auf dem Spiel steht:

Ein Präsident im Wandel
Der Tonfall beim Treffen zwischen Trump und Selenskyj unterschied sich diametral von ihrer katastrophalen Unterredung im Oval Office vor sechs Monaten. Selenskyj, der damals wegen mangelnden Respekts kritisiert wurde, tauschte seine Kampfmontur gegen ein schwarzes Sakko, Hemd und Stoffhose. Und da ihm damals Undankbarkeit vorgeworfen worden war, bedankte er sich diesmal öffentlich mindestens zehnmal bei Trump. Dieser wiederum zeigte sich ausgesprochen freundlich.

Gebietsabtretungen?
Putin betont weiterhin, dass er sich nicht aus der Ukraine zurückziehen werde, es sei denn, Russland erhalte den Donbas – eine Industrieregion, die er bereits seit 2014 beansprucht. Sie steht im Zentrum der aktuellen Sommeroffensive Moskaus. Doch im verbleibenden Teil, der sich unter ukrainischer Kontrolle befindet, leben noch immer rund 200.000 Zivilisten. Zudem verbietet die ukrainische Verfassung Selenskyj, ohne ein Referendum Territorien abzutreten.

Dennoch, so berichtet die US-Presse, sei klar, dass das Thema besprochen wurde. „Danke übrigens für die Karte“, sagte Selenskyj vor laufenden Kameras. Nicht gesagt wurde, wer die Karte gezeichnet hatte – oder was genau darauf zu sehen war.

Schutz vor Russland
Was braucht die Ukraine, um sich sicher zu fühlen? „Alles“, sagte Selenskyj. Er zählte Waffen, Truppen, Ausbildung und Geheimdienstinformationen auf. Trump wich der Frage aus, ob amerikanische Soldaten Teil einer künftigen Friedenstruppe sein könnten. Doch nach monatelanger Kritik an seinem Vorgänger, dieser habe Milliarden zur Verteidigung der Ukraine ausgegeben, deutete Trump nun an, die USA würden das Land künftig durchaus vor weiteren Invasionen schützen.

Bei der Runde am Tisch im Oval Office und vor laufenden Kameras, verwiesen mehrere europäische Staats- und Regierungschefs auf Artikel 5 der NATO – das Prinzip, wonach ein Angriff auf ein Mitglied als Angriff auf alle gilt. Trump erklärte, dass eine entsprechende Regelung für die Ukraine durchaus „NATO-ähnlich“ sein könnte. NATO-Generalsekretär Mark Rutte, ein erklärter Trump-Freund und einer von den acht geladenen Gästen am Montag, nannte diesen Sinneswandel „eine wirklich bedeutende Entwicklung“.

Die Kämpfe gehen weiter
Während Selenskyj in Washington eintraf, setzte Russland seine Angriffe auf die Ukraine fort. Bei Luftschlägen am gestrigen Tag wurden mindestens 14 Menschen getötet, darunter zwei Kinder. Dennoch äußerte sich Trump zögerlich, als mehrere seiner europäischen Amtskollegen ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen forderten. „Ich glaube nicht, dass man einen Waffenstillstand braucht“, sagte Trump und verwies darauf, dass seine Verhandlungen zur Beendigung des jahrzehntelangen Konflikts in der Demokratischen Republik Kongo auch ohne Waffenstillstand begonnen hätten. „Ich weiß, dass ein solcher hilfreich sein kann. Aber ich verstehe auch, warum ihn die eine oder andere Seite strategisch nicht will.“

Später sagte er, „wir alle würden natürlich einen sofortigen Waffenstillstand bevorzugen“, doch Putin und Selenskyj müssten das untereinander regeln. „Zum jetzigen Zeitpunkt passiert das nicht.“

Wie geht es weiter?
Trump kündigte an, die Präsidenten der Ukraine und Russlands bald an einen Tisch bringen zu wollen. „Wenn Sie wollen, nehme ich an dem Treffen teil“, sagte er zu Selenskyj. „Die Ukraine wird glücklich sein, wenn Sie dabei sind“, erwiderte dieser. Es wäre das erste persönliche Treffen der beiden Kontrahenten seit 2019 – drei Jahre vor dem russischen Überfall auf die Ukraine. „Wenn wir ein trilaterales Gespräch zustande bringen“, sagte Trump, „besteht eine gute Chance, das Ganze vielleicht zu beenden.“

Noch während Selenskyj und die Europäer im Weißen Haus weilten, rief Trump Putin an, um ihn über den Verlauf der Gespräche zu informieren. Nach dem Abschied der europäischen Delegationen, so Trump, wolle er nochmals mit Putin sprechen. Sollte es dazu kommen, wäre der russische Präsident erneut der Letzte, dessen Stimme Trump in dieser Sache im Ohr hat.


Weitere wichtige Meldungen

  • Gaza: Hamas hat laut offiziellen Angaben einem neuen Waffenstillstand zugestimmt, der die Freilassung israelischer Geiseln und palästinensischer Gefangener vorsieht.
  • Technologie: Die Trump-Regierung erwägt, einen zehnprozentigen Anteil an Intel zu übernehmen – im Rahmen eines staatlich gestützten Rettungsplans für den angeschlagenen US-Chiphersteller.
  • Spanien: Mehrere europäische Länder entsandten Feuerwehrkräfte und Ausrüstung zur Unterstützung beim Kampf gegen 23 außer Kontrolle geratene Brände, insbesondere im Nordwesten Spaniens.
  • Bolivien: Der zentristische Senator Rodrigo Paz gewann die erste Runde der Präsidentschaftswahl – das Ende von 20 Jahren sozialistischer Vorherrschaft zeichnet sich ab.
  • Kenia: Eine zehnjährige Studie ergab, dass die Auszahlung von 1.000 Dollar an arme Familien die Säuglingssterblichkeit um fast die Hälfte senkte.
  • Klima: Die Trump-Regierung reagierte mit scharfer Kritik auf eine Prognose der führenden Weltenergieagentur, wonach Öl und Gas ihren globalen Höhepunkt noch vor Ende des Jahrzehnts erreichen könnten.

Autor: P. Tiko

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