Was genau erwarten die USA im Jahr 2025 von Indien?
Noch vor Kurzem schien die Antwort eindeutig: Indien galt als Amerikas Partner in Asien und als wichtigste Gegenkraft zu China.
Diese strategische Ausrichtung spiegelte sich in der Vergangenheit in zahlreichen politischen Maßnahmen wider. Die Zusammenarbeit in Technologie und Verteidigung hatte ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht. Die Vereinigten Staaten ermutigten Unternehmen, ihre Produktion von China nach Indien zu verlagern – und Konzerne wie Apple folgten dieser Aufforderung.
Doch die vergangenen Monate haben dieses Bild grundlegend verändert. Nicht nur sind die bilateralen Beziehungen zwischen beiden Ländern auf den tiefsten Stand seit Jahrzehnten gesunken – auch der Grund dafür bleibt rätselhaft. Niemand in Indien scheint derzeit zu verstehen, weshalb das Verhältnis dermaßen abgekühlt ist oder welche Erwartungen die USA künftig an diese Partnerschaft stellen. (Indiens Außenminister gebrauchte auf einer Pressekonferenz vergangene Woche das Wort „verwirrt“.)
Seit heute gelten neue US-Zölle von 50 Prozent, und Indien rätselt über die Ursachen dieser Entwicklung – und darüber, wie sich der entstandene Konflikt entschärfen lässt. Zugleich spricht derzeit kaum jemand über das einstige zentrale Ziel dieser Beziehung: eine Zusammenarbeit im Umgang mit China. Dabei war gerade dieser gemeinsame strategische Fokus das Fundament der US-indischen Partnerschaft – und wird es für die künftige Ordnung Asiens bleiben.
Ein Fallstudie in Widersprüchen
Indien ist nicht das einzige Land, bei dem die neue US-Handelspolitik im Widerspruch zu geopolitischen Prioritäten steht. Auch Südkorea, Japan und mehrere südostasiatische Staaten sehen sich mit neuen Zöllen konfrontiert.
Doch im Fall Indiens sind die Widersprüche besonders ausgeprägt: Die neuen Zölle sind extrem hoch – und gleichzeitig war Indiens strategische Bedeutung für Washington über Jahre hinweg außerordentlich hoch.
Auch Indien verzeichnet gegenüber den USA einen Handelsüberschuss. Die Regierung in Neu-Delhi war sich bewusst, dass dies – zusammen mit Indiens protektionistischer Politik etwa im Agrarsektor – Spannungen hervorrufen könnte. Doch man glaubte, einen Ausgleich gefunden zu haben, der Trump zufriedenstellen würde: Indien begann, verstärkt amerikanische Energieprodukte und Rüstungsgüter zu importieren – um so das Handelsbilanzdefizit zu kompensieren. Bislang scheint dies in Trumps Kalkulationen jedoch kaum eine Rolle zu spielen.
Gleichzeitig aber kauft Indien in wachsendem Maße russisches Öl. Zu Beginn des Kriegs in der Ukraine machte russisches Rohöl weniger als ein Prozent von Indiens gesamten Ölimporten aus – heute liegt der Anteil bei rund einem Drittel. Indiens Käufe russischen Öls waren Teil der laufenden Handelsgespräche.
Wäre es bei einer klaren Linie geblieben – etwa der Androhung sekundärer Sanktionen gegen alle Länder, die russisches Öl kaufen –, ließe sich das Vorgehen Trumps nachvollziehen. Doch die Entscheidung, den Fokus ausschließlich auf Indien zu legen, sorgt für maximale Verwirrung: China, der weltweit größte Abnehmer russischer Energie, kauft weiterhin zu Vorzugspreisen – und wurde bisher von vergleichbaren Maßnahmen verschont.
Moskau, Peking und darüber hinaus
Während sich die Beziehungen zu den USA verschlechtern, intensiviert Indien seine diplomatischen Bemühungen – insbesondere gegenüber Moskau und Peking. In den vergangenen Wochen reisten sowohl der nationale Sicherheitsberater als auch der Außenminister nach Russland. Beide wurden von Präsident Wladimir Putin empfangen, und beide kündigten einen baldigen Gegenbesuch Putins in Neu-Delhi an. Premierminister Narendra Modi wiederum bereitet sich auf eine Reise nach China vor – die erste seit sieben Jahren.
Über zwanzig Jahre US-Indien-Strategie wurden in den vergangenen vier Monaten praktisch auf den Kopf gestellt. Heute sucht das frühere Gegengewicht zu China seinerseits ein Gegengewicht – zu Donald Trump.
(Dieser Tex basiert auf einem Artikel der New York Times)
Trump versucht, eine Fed-Gouverneurin zu entlassen
Ein schwerer juristischer Konflikt deutet sich in Washington an, nachdem Donald Trump angekündigt hatte, Lisa Cook – eine von sieben Gouverneurinnen der US-Notenbank Federal Reserve – wegen angeblicher Hypothekenbetrugsfälle zu entlassen. Cook erklärte gestern, sie werde Klage einreichen, um gegen die Entlassung vorzugehen, da der Präsident „keine Befugnis“ zu ihrer Abberufung habe.
Die Federal Reserve soll eigentlich unabhängig von politischem Druck agieren. Doch Trump hat in den vergangenen Wochen eine Serie öffentlicher Angriffe auf Mitglieder der Notenbank gestartet – mit dem Ziel, Zinssenkungen zu erzwingen.
Weitere wichtige Nachrichten
- Ukraine: Erstmals seit Beginn des Krieges konnten russische Truppen Ortschaften in der Region Dnipropetrowsk einnehmen. Der Energiekrieg zwischen Russland und der Ukraine verschärft sich: Gegenseitige Angriffe auf Stromnetze sowie Öl- und Gasanlagen nehmen massiv zu.
- Israel: Das Sicherheitskabinett trat zusammen, ließ jedoch offen, wie es mit einem Vorschlag für eine Waffenruhe im Gazastreifen weitergeht. Das Militär erklärte – ohne Belege vorzulegen –, der Angriff auf ein Krankenhaus in Gaza, bei dem auch 5 Journalisten getötet wurden, habe der Zerstörung einer Hamas-Kamera gedient.
- Australien: Die Regierung beschuldigt den Iran, im vergangenen Jahr antisemitische Angriffe auf australischem Boden organisiert zu haben – und kündigte den Abbruch diplomatischer Beziehungen an.
- Großbritannien: Nigel Farage, Chef der rechtspopulistischen Partei Reform UK, legte ein Programm vor, das die Abschiebung von bis zu 600.000 Migranten ohne Papiere vorsieht – im Falle eines Wahlsiegs.
- Deutschland: Ein Friedensabkommen für die Ukraine ist nicht in Sicht. Dennoch wird bereits darüber diskutiert, ob Deutschland künftig Soldaten zur Absicherung eines möglichen Abkommens entsenden sollte.
- Klimawandel: Die chinesischen Solar-Exporte nach Afrika steigen sprunghaft an.
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