Die Warnung war unmissverständlich: Premierminister François Bayrou zog kürzlich Parallelen zur britischen Haushaltstragödie unter Liz Truss. Seine Botschaft: Wenn Frankreich nicht bald gegensteuere, drohe eine fiskalische Instabilität, die das Vertrauen der Märkte nachhaltig erschüttern könnte. Die Lage sei ernst, so Bayrou – und ein Blick auf die fiskalischen Eckdaten bestätigt das.
Eine Schuldenquote am Rand des Zumutbaren
Die französische Staatsverschuldung erreichte zum Ende des ersten Quartals 2025 rund 3.345 Milliarden Euro, was 113,9 % der nationalen Wirtschaftsleistung entspricht. Damit rangiert Frankreich unter den am höchsten verschuldeten Volkswirtschaften der Eurozone – nur Italien und Griechenland weisen noch höhere Quoten auf.
Diese Entwicklung markiert eine dramatische Trendwende. Um die Jahrtausendwende lag die Schuldenquote noch bei rund 60 % des Bruttoinlandsprodukts. Innerhalb von 25 Jahren hat sich das Verhältnis nahezu verdoppelt – eine strukturelle Entwicklung, die sich nicht allein mit konjunkturellen Krisen erklären lässt, sondern auf anhaltende Haushaltsdefizite und eine expansive Ausgabenpolitik hinweist.
Defizit und Zinslast setzen den Haushalt unter Druck
Auch der französische Staatshaushalt bleibt tief in den roten Zahlen. Das öffentliche Defizit lag im Jahr 2024 bei etwa 5,8 % des BIP – deutlich über dem von den EU-Konvergenzkriterien geforderten Maximalwert von 3 %. Zwar deuten erste Daten aus dem laufenden Jahr auf eine leichte Verbesserung hin (etwa 5,4 % bis Mitte 2025), doch ein nachhaltiger Rückgang ist bislang nicht absehbar.
Besonders belastend ist die wachsende Zinslast. Die jährlichen Zinszahlungen des Staates summieren sich inzwischen auf rund 60 Milliarden Euro – ein Betrag, der mittlerweile knapp zehn Prozent der Staatsausgaben ausmacht. Diese Entwicklung ist auch Ausdruck des gestiegenen Zinsniveaus an den Kapitalmärkten und trifft einen Staat besonders hart, der einen hohen Anteil seiner Ausgaben kreditfinanziert.
Der Sparkurs: ambitioniert, aber sozial explosiv
Um gegenzusteuern, legte François Bayrou im Juli ein umfassendes Sparpaket vor. Das Ziel: Einsparungen in Höhe von 43,8 Milliarden Euro pro Jahr. Damit soll das Haushaltsdefizit bis 2026 auf 4,6 % und bis 2029 auf unter 3 % gedrückt werden.
Das Maßnahmenpaket umfasst tiefgreifende Einschnitte: die Streichung zweier gesetzlicher Feiertage, das Einfrieren sozialer Transferleistungen, eine stärkere Belastung von Renten und höheren Einkommen, sowie Kürzungen im Gesundheitswesen. Auch der Kampf gegen Steuerbetrug soll intensiviert werden.
In ihrer Gesamtheit stellen diese Maßnahmen eine Zäsur in der französischen Haushaltspolitik dar – ein Bruch mit Jahrzehnten einer lockeren Fiskalpolitik. Doch die politische Durchsetzbarkeit ist ungewiss: Bereits kurz nach der Ankündigung regte sich breiter Widerstand. Gewerkschaften kündigten Protestaktionen an, linke und rechte Oppositionsparteien distanzierten sich scharf.
Politisches Risiko: Vertrauensabstimmung am 8. September
Bayrou hat sich entschieden, sein fiskalpolitisches Sparprogramm mit einer Vertrauensabstimmung im Parlament zu verknüpfen – ein Schritt, der nicht ohne Risiko ist. Denn die politischen Mehrheitsverhältnisse sind fragil. Mehrere Parteien, darunter die radikale Linke und der Rassemblement National, haben bereits ihre Ablehnung signalisiert. Auch in der eigenen Mitte herrscht Zurückhaltung.
Ein Scheitern der Abstimmung könnte die Regierung stürzen – und in der Folge zu Neuwahlen, einer Blockade des Sparkurses oder gar einer schweren Regierungskrise führen. Hinzu kommt, dass für den 10. September bereits groß angelegte Demonstrationen und Blockadeaktionen angekündigt sind. Der Protestaufruf „Bloquons tout“ mobilisiert breite Teile der Gesellschaft – nicht nur aus dem linken Spektrum, sondern auch aus bürgerlichen Milieus, die sich durch Kürzungen im Gesundheits- und Rentensystem betroffen sehen.
Zwischen fiskalischer Vernunft und politischer Machbarkeit
Der Vergleich mit der britischen Liz-Truss-Episode dient Bayrou als warnendes Beispiel: Auch dort hatte eine finanzpolitisch unzureichend unterfütterte Ausgabenpolitik das Vertrauen der Märkte erschüttert – mit dem Ergebnis einer heftigen Regierungskrise. Frankreich steht in dieser Hinsicht vor einer ähnlichen Herausforderung, wenn auch unter anderen strukturellen Bedingungen.
Die Frage ist nicht nur, ob der Sparkurs ökonomisch sinnvoll ist – er ist es –, sondern ob er sich politisch umsetzen lässt, ohne die Gesellschaft weiter zu polarisieren. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die französische Regierung den nötigen Rückhalt findet, um einen Kurs der fiskalischen Konsolidierung gegen den Widerstand der Straße durchzusetzen. Andernfalls könnte sich das Haushaltsproblem schnell zu einer enormen politischen Krise auswachsen – mit unvorhersehbaren Folgen für das gesamte Land.
Autor: P. Tiko
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