Tag & Nacht


Ein Tag, der Wendepunkte schrieb

Manchmal wirkt ein Datum wie ein unscheinbarer Strich im Kalender – und doch steckt darin eine erstaunliche Dichte an Ereignissen. Der 4. September gehört genau in diese Kategorie. Er hat Kaiser zu Fall gebracht, Republiken geboren, technische Triumphe gefeiert und Städte aus dem Boden sprießen lassen.


Der Sturz Roms – ein Epochenende

Am 4. September 476 wird Romulus Augustulus, der letzte weströmische Kaiser, von Odoaker abgesetzt. Damit endet offiziell das Weströmische Reich, ein Einschnitt, der in unzähligen Geschichtsbüchern als „Untergang Roms“ gedeutet wird. Natürlich lebte vieles römisches Erbe in Recht, Architektur und Verwaltung weiter – aber die politische Einheit im Westen war dahin.

Bis heute wird dieser Tag sinnbildlich für den Zerfall von Großreichen gelesen: Kein plötzlicher Zusammenbruch, sondern ein langsamer Prozess, der an einem 4. September seinen symbolischen Höhepunkt fand.


Vom Pueblo zum Moloch – Los Angeles wird geboren

1781 gründeten 44 spanische Siedler eine kleine Kolonie, die sie „El Pueblo de Nuestra Señora la Reina de los Ángeles“ nannten. Wer hätte gedacht, dass daraus Los Angeles mit seinen Millionen Einwohnern und dem Weltmarkenzeichen Hollywood hervorgeht? Von einer Grenzstadt im spanischen Kolonialreich zur Hauptstadt der Popkultur – der 4. September legte den Grundstein für diesen erstaunlichen Weg.

Und Hand aufs Herz: Wer hat nicht irgendwann einen Film gesehen, der aus genau dieser Stadt kommt?


Klick, Schnapp, Geschichte – Kodak revolutioniert die Fotografie

1888 meldete George Eastman ein Patent an, das die Welt der Bilder veränderte: die Kodak-Rollfilmkamera. „You press the button, we do the rest“ – das Versprechen, Fotografie aus den Ateliers der Spezialisten zu holen und in die Hände gewöhnlicher Menschen zu legen. Heute, im Zeitalter von Smartphones, wirkt das fast wie ein ferner Urknall der Bildkultur.

Die Allgegenwart von Selfies, Insta-Stories und digitalen Erinnerungen hat ihre Wurzel genau hier – in einem kleinen Patent an einem 4. September.


Der Graf Zeppelin fliegt um die Welt

1929 landet das Luftschiff „Graf Zeppelin“ nach seiner 21-tägigen Weltumrundung wieder in Friedrichshafen. Die Reise ging über Tokio, Los Angeles und New York – ein Spektakel, das die Fantasie einer ganzen Generation beflügelte. Zeitungen berichteten täglich, Radiostationen übertrugen live, Menschen jubelten in den Straßen.

Heute klingt es fast wie Science-Fiction mit Retro-Charme: Ein riesiges Luftschiff, das majestätisch um den Globus zieht.

War das nicht so etwas wie der Vorläufer unserer globalisierten Mediengesellschaft?


Konflikt in den USA – Musik trifft Politik

Ein weiteres Kapitel schrieb 1949 die Stadt Peekskill im Bundesstaat New York. Nach einem Konzert des afroamerikanischen Sängers Paul Robeson, der sich offen für Bürgerrechte und gegen Rassismus einsetzte, kam es zu Ausschreitungen. Tausende Gegner attackierten die Besucher, über hundert Menschen wurden verletzt. Der 4. September steht hier als Symbol dafür, wie Kunst und Politik aufeinandertreffen – und welche Spannungen in der amerikanischen Gesellschaft der Nachkriegszeit brodelten.


Frankreichs großer Tag – Die Geburt der Dritten Republik

Am 4. September 1870 strömten in Paris Massen vor das Hôtel de Ville. Die Nachricht von der katastrophalen Niederlage Napoléons III. bei Sedan hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Innerhalb weniger Stunden wurde der Kaiser abgesetzt und die Dritte Republik ausgerufen.

Léon Gambetta und andere republikanische Führer riefen zur Einheit auf, während die Menge jubelte. Gleichzeitig kam es in Städten wie Lyon oder Marseille zu spontanen Manifestationen – die Republik wurde nicht nur in Paris geboren, sondern überall im Land.

Dieser 4. September ist heute zwar kein Feiertag, doch er markiert den Anfang der längsten republikanischen Epoche Frankreichs. Die politischen Werte, die damals ausgerufen wurden, prägen Frankreich noch immer: Laizität, Bürgerrechte, republikanische Institutionen.

Und doch: Der Tag ist im kollektiven Gedächtnis nicht so präsent wie der 14. Juli. Vielleicht, weil er mit Krieg, Niederlage und nationaler Krise verknüpft ist – und weniger mit Glanz und Freude.


Ein Datum voller Geschichten

Ob der letzte Kaiser Roms, die Gründung von Los Angeles, die Geburt einer neuen Fotokultur oder die Ausrufung der Dritten Republik: Der 4. September ist ein Kaleidoskop der Geschichte. Mal dramatisch, mal visionär, mal düster – doch immer mit Folgen, die bis in unsere Gegenwart reichen.

Wenn man den Kalender aufschlägt, könnte man meinen: nur ein weiterer Spätsommertag. Aber hinter diesem Datum verbergen sich Brüche, Aufbrüche und Umbrüche – alles an einem einzigen Tag.

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