Tag & Nacht




Manchmal verdichtet sich Geschichte an einem Datum, als hätte der Kalender selbst ein Gespür für Dramatik. Der 18. September ist so ein Tag. Er brachte Kaiser zu Fall, ließ Städte brennen, schuf neue Staaten – und in Frankreich markierte er einen moralischen Wendepunkt.


Kaiser, Kriege und Katastrophen

Im Jahr 96 nach Christus fiel der römische Kaiser Domitian einem Palastkomplott zum Opfer. Sein Tod öffnete die Tür für eine neue Epoche: Nerva, der Nachfolger, setzte auf Ausgleich und Reform. Solche Wechsel an der Spitze eines Weltreichs waren mehr als bloße Personalentscheidungen – sie bestimmten das Schicksal von Millionen Menschen.

Knapp 230 Jahre später, im Jahr 324, entschied sich das Schicksal des Römischen Reichs erneut. Konstantin der Große besiegte seinen Rivalen Licinius in der Schlacht von Chrysopolis. Damit lag die Alleinherrschaft in seinen Händen. Der Sieg ebnete den Weg für die Christianisierung des Reiches, eine Entwicklung, die Europa noch heute prägt.

Springen wir ins 18. Jahrhundert: Am 18. September 1759 kapitulierten die Franzosen in Québec gegenüber den Briten. Ein Wendepunkt im Siebenjährigen Krieg, der den Grundstein für die britische Dominanz in Nordamerika legte. Frankreich verlor mehr als nur eine Kolonie – es verlor Einfluss auf einem ganzen Kontinent.

Auch in Südamerika wurde an einem 18. September Geschichte geschrieben. 1810 rief Chile seine erste Regierungsjunta ins Leben, ein entscheidender Schritt hin zur Unabhängigkeit von Spanien.

Doch nicht nur Politik, auch Naturgewalten und Kriegsfolgen machten sich bemerkbar: Am 18. September 1812 stand Moskau in Flammen. Mehr als drei Viertel der Stadt wurden zerstört – eine Katastrophe, die Napoleons Russlandfeldzug entscheidend schwächte.

Und 1898 kam es im Sudan fast zum Krieg: Der Fashoda-Zwischenfall zwischen britischen und französischen Truppen symbolisierte die Rivalität zweier Imperien, die im Wettlauf um Afrika aneinandergerieten. Dass die Sache diplomatisch gelöst wurde, war reines Glück – der Kontinent hätte leicht zum Zündfunken eines europäischen Kriegs werden können.


Frankreich und der Weg zur Menschenwürde

Frankreich selbst schrieb am 18. September ebenfalls Geschichte – diesmal nicht mit Kanonen, sondern mit Worten. 1981 beschloss die Nationalversammlung mit klarer Mehrheit die Abschaffung der Todesstrafe.

Dieses Gesetz war eines der ersten großen Projekte der Regierung François Mitterrand. Getragen wurde es vom damaligen Justizminister Robert Badinter, der mit eindringlichen Reden an die Menschlichkeit appellierte. Nur vier Jahre zuvor war Hamida Djandoubi mit der Guillotine hingerichtet worden – die letzte Hinrichtung in Frankreich und zugleich die letzte in ganz Westeuropa.

Man spürt heute noch, welche Signalwirkung dieser Schritt hatte. Es war eine Zäsur, ein Bruch mit Jahrhunderten staatlich legitimierter Gewalt. Und es war ein Bekenntnis zu einer neuen Gesellschaft, die nicht auf Vergeltung, sondern auf Menschenrechte setzt.


Was bleibt?

Der 18. September zeigt uns, wie breit das Spektrum historischer Momente sein kann. Vom Sturz eines Kaisers über den Brand einer Weltstadt bis hin zu einem Gesetz über Leben und Tod – all diese Geschichten verbindet, dass sie Gesellschaften tief veränderten.

Fragt man sich heute: Was hat das eigentlich noch mit uns zu tun? Eine ganze Menge.

Ohne Konstantins Sieg vielleicht kein christliches Europa. Ohne Québecs Kapitulation vielleicht ein ganz anderes Nordamerika. Ohne den Fashoda-Kompromiss womöglich ein Weltkrieg vor 1914. Und ohne die Abschaffung der Todesstrafe? Dann stünde Frankreich wohl nicht so klar als Vorreiter in Sachen Menschenrechte da, wie es heute der Fall ist.


Ein Datum mit Gewicht

Der 18. September ist kein gewöhnlicher Tag. Er steht für Machtwechsel und Katastrophen, für Unabhängigkeit und Würde. Vielleicht liegt darin auch eine kleine Lektion: Geschichte passiert nicht irgendwo im luftleeren Raum, sondern an ganz konkreten Tagen – und diese Tage wirken nach, bis in unsere Gegenwart.

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