Tag & Nacht




Es gibt Momente, in denen ein einzelner Tod mehr erzählt als tausend Fotos. Der Tod von Antoni Lallican ist so ein Moment.

Er war kein Soldat, kein Politiker, kein Stratege. Er war ein Mensch mit einer Kamera – und dem unerschütterlichen Glauben, dass man hinschauen muss, wenn andere wegsehen. Diese Haltung, so schlicht sie klingt, ist im Krieg ein Akt der Rebellion. Denn wer Bilder macht, entzieht sich der Kontrolle der Mächtigen. Er zeigt, was sie lieber verbergen möchten.

Drohnen treffen präzise. Sie unterscheiden nicht, sie prüfen nicht, sie fragen nicht. Sie erledigen. Und wenn eine Drohne einen Fotografen trifft, dann trifft sie mehr als nur einen Körper. Sie trifft das Prinzip des freien Blicks, das Fundament jedes Journalismus.

Antoni Lallican stand dort, wo der Rauch noch in der Luft hing, wo das Leben zitterte zwischen Flucht und Widerstand. Nicht um zu schockieren, sondern um zu verstehen. Um uns verstehen zu lassen. Und dieses „uns“ ist entscheidend: Denn Reporter wie er halten den dünnen Faden ihn ihren Händen, der uns verbindet mit der Realität hinter den Frontlinien. Ohne sie bleibt nur das, was Armeen, Regierungen oder Algorithmen uns zeigen wollen.

Sein Tod ist kein Unfall, kein Kollateralschaden. Es ist das Resultat einer Welt, in der Information zur Waffe geworden ist – und Wahrheit zum Risiko.

Ich stelle mir vor, wie er in diesem letzten Moment durch die Linse sah. Vielleicht auf einen Menschen, der gerade versuchte, Wasser zu holen. Vielleicht auf ein Stück Sonne, das durch eine zerbombte Wand fiel. Und dann: Stille.

Was bleibt, ist dieses Schweigen – das Schweigen nach dem Bild. Ein Schweigen, das in unseren Köpfen dröhnt, weil wir wissen, dass jemand das Risiko getragen hat, uns sehen zu lassen.

Antoni Lallican ist tot. Aber seine Arbeit lebt – nicht in Galerien oder Preislisten, sondern in der Verantwortung, die wir tragen, weiterzuschauen. Hinzusehen, auch wenn der Himmel dunkel wird.

Denn wenn niemand mehr hinsieht, dann gewinnen jene, die die Wahrheit fürchten.

Und das wäre der zweite Tod.

Ein Kommentar von C. Hatty

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