Tag & Nacht


Sonntagabend, irgendwo zwischen Cadaujac und Saint-Médard-d’Eyrans, nur ein paar Kilometer südlich von Bordeaux. Statt vorbeirauschender Züge: Stillstand. Statt Reisestimmung: Warten im Dunkeln. Was klingt wie der Beginn eines TV-Dramas, war für hunderte Fahrgäste brutale Realität.

Ein Stromausfall im französischen Schienennetz hat am 26. Oktober massive Zugausfälle und Verspätungen im Südwesten Frankreichs verursacht – und das ausgerechnet zum Herbstferienbeginn. Ein technischer Defekt an der Oberleitung war offenbar der Auslöser. Und die Folgen? Einschneidend.

Alles beginnt mit einem Knall – und endet im Chaos

Gegen 18:45 Uhr bricht zwischen den Bahnhöfen Cadaujac und Saint-Médard-d’Eyrans die Stromversorgung zusammen. Schuld daran: mutmaßlich ein gerissener Fahrdraht, wie die SNCF, das französische Bahnunternehmen, bekannt gab. Eine sogenannte Caténaire – das Rückgrat des elektrischen Bahnbetriebs – war beschädigt.

Sofort ist die Strecke blockiert. Nichts geht mehr.

Ein Intercités-Zug auf dem Weg von Bordeaux nach Agen bleibt mitten auf freier Strecke liegen. Fünf Stunden lang sitzen die Passagiere fest – ohne Strom, ohne Bewegung, ohne klare Informationen. Erst gegen 23:30 Uhr werden sie auf einen anderen Zug umgeladen. Für viele endet der Sonntag spät in der Nacht – und mit einem Frust, der noch lange nachhallt.

Dominoeffekt auf Schienen

Was wie ein lokales Problem beginnt, entwickelt sich rasch zum Flächenbrand: Sieben Regionalzüge (TER) und zwei TGV-Verbindungen werden gestrichen. Die Strecke Bordeaux–Toulouse–Paris ist besonders betroffen. Manche Reisende kommen mit bis zu neun Stunden Verspätung an ihrem Ziel an. Andere erreichen es gar nicht mehr.

Und das ausgerechnet am Wochenende vor dem Feiertag Allerheiligen – einer der reisestärksten Zeiten des Jahres in Frankreich.

Ein dünnes Nervenkostüm auf der Schiene

Eine kaputte Oberleitung mag unscheinbar klingen – doch sie ist mehr als nur ein technischer Zwischenfall. Sie ist Symptom eines fragilen Systems. Denn obwohl die Bahn als Rückgrat der klimafreundlichen Mobilität gefeiert wird, zeigt dieser Vorfall erneut: Die Infrastruktur ist störanfällig. Und die Reserven sind gering.

Ein einziger Defekt kann ausreichen, um tausende Reisende aufzuhalten, Verbindungen zu kappen und den Betriebsablauf aus dem Takt zu bringen. Besonders wenn Notfallpläne nicht greifen – oder schlicht überfordert sind.

Kundenfrust statt Komfort

Wer den Zug nimmt, wählt ihn oft aus Überzeugung: Bequem, nachhaltig, stressfreier als das Auto. Doch wenn aus „komfortabel“ ein nächtlicher Zwangsaufenthalt im Dunkeln wird, kippt das Bild schnell. Vertrauen lässt sich schwer gewinnen – und leicht verlieren.

Gerade Pendler und Gelegenheitsfahrer reagieren sensibel auf wiederkehrende Pannen. Die Konsequenz? Immer mehr Menschen denken um. Und nicht immer in Richtung Schiene.

Versäumnisse in der Wartung?

Neben der akuten Störung stellen sich drängendere Fragen:

Warum reißt eine Oberleitung überhaupt?

Wie regelmäßig werden stark befahrene Strecken gewartet?

Und wie gut sind die Notfallpläne für Ferienzeiten aufgestellt?

Die SNCF hat angekündigt, die genaue Ursache zu untersuchen. Doch das allein reicht vielen nicht. Die Forderung nach nachhaltiger Modernisierung und besserer Krisenkommunikation wird lauter.

Was Reisende jetzt wissen müssen

Für Bahnreisende heißt es einmal mehr: Vorbereitung ist alles.

Vor der Abfahrt unbedingt die Verkehrslage checken – über App, Website oder direkt im Bahnhof. Besonders in Stoßzeiten empfiehlt sich ein Zeitpuffer. Zudem gilt: Bei Zugausfällen oder Verspätungen haben Fahrgäste Anspruch auf Entschädigung. Wer Fotos, Tickets oder Ansagen dokumentiert, sichert sich die nötigen Beweise.

Und im Zweifel? Lieber einen Alternativplan in der Tasche haben. Denn nicht jeder Zwischenfall endet so glimpflich wie dieser.

Und jetzt?

Die Bahnpanne im Südwesten wirft ein Schlaglicht auf die Schwächen des französischen Eisenbahnnetzes – und auf die Herausforderungen, vor denen viele europäische Bahnbetreiber stehen. Es braucht mehr als nur Entschuldigungen: Es braucht Investitionen, Weitblick – und den Willen, aus Fehlern zu lernen.

Denn die Frage, die viele Reisende sich nun stellen, ist berechtigt:

Wie viele solcher Abende braucht es noch, bis endlich etwas passiert?

Autor: C.H.

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