Während sich die einen am Strand von Sète den Herbstwind durch die Haare wehen lassen, kauern sich andere in La Rochelle unter den letzten freien Café-Schirm. Der französische Spätherbst zeigt sich in den Vacances de la Toussaint mal wieder von zwei ganz verschiedenen Seiten – von golden bis grau, von mild bis matschig.
Und das alles am selben Tag.
In Sète, an der Mittelmeerküste, scheint die Sonne. Eine Familie aus dem Elsass strahlt fast genauso freudig wie der Himmel. Die Tochter stellt trocken fest: „Mehr Wind, aber wärmer.“ Und so ist es: Hier unten lässt sich der Oktober beinahe wie ein Nachsommer feiern. Bootstouren laufen, Restaurants sind gut besucht – selbst in der Nebensaison ist noch was los. Man spürt es: Die Wärme des Sommers klebt noch in den Steinen, das Meer glitzert verführerisch. Und die Urlauber? Die genießen es, dass der große Andrang vorbei ist.
Einige Kilometer nordwestlich, in La Rochelle, wirkt die Szene ganz anders. Nieselregen, mal kurz ein Lichtblick – dann wieder Tropfen auf dem Kopf. Auf der Terrasse eines örtlichen Restaurants: Leere. Ein Gastronom bringt es auf den Punkt: „Gerade jetzt, wo wir sprechen, kommt ein Sonnenstrahl. Aber es ist Herbst – Regen, Sonne, Regen, Sonne. Die Leute überlegen es sich zweimal, ob sie draußen essen wollen.“
Ein Satz wie ein Wetterbericht.
Der Vergleich zwischen beiden Regionen könnte kaum deutlicher sein. Während der Süden noch spätsommerliche Nachmittage bietet, ist der Atlantik bereits im Oktober-Modus: wechselhaft, windig, feucht. Und doch – beide Orte ziehen Touristen an. Die einen wegen des Wetters. Die anderen trotz des Wetters.
Was viele überrascht: Die Herbstferien – offiziell „Vacances de la Toussaint“ – sind für viele Franzosen eine beliebte Reisezeit. Nicht zuletzt, weil die Preise sinken und die Strände leerer sind. Wer klug bucht, kann echte Erholung finden – vorausgesetzt, das Wetter spielt mit.
Aber genau da liegt die Krux.
Denn so charmant eine herbstliche Meeresbrise auch klingt – sie kann eben auch Regen bringen. In Sète geht man damit entspannter um: Ein bisschen Wind? Macht den Spaziergang nur interessanter. In La Rochelle hingegen sind Schirme kein Accessoire, sondern Pflicht. Und während an der Mittelmeerküste die Cafés draußen servieren, zieht man an der Atlantikküste lieber ins Trockene um.
Trotzdem – oder gerade deswegen – hat diese Zeit ihren Reiz. Die Luft ist klar, die Natur bunt, die Städte ruhiger. Wer also nicht auf 35 Grad und überfüllte Promenaden besteht, erlebt Frankreich jetzt von seiner entschleunigten Seite.
Und vielleicht ist genau das der Grund, warum sich immer mehr Reisende bewusst für die „arrière-saison“ entscheiden. Keine Warteschlangen, kein Gedränge – dafür echter Kontakt mit Land und Leuten. Ein bisschen Regen? Geschenkt. Dafür gibt’s eine freie Tischwahl mit Meerblick.
Oder wie es ein Tourist in Sète sagte, während er sich demonstrativ die Sonnenbrille aufsetzte: „Herbstferien? Wenn das hier der Herbst ist – gerne öfter!“
Autor: Andreas M. Brucker
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!




