Tag & Nacht


Manchmal trägt ein Datum den Nachhall vieler Jahrhunderte in sich – und der 5. November ist so ein Tag. Ein Tag, an dem Könige erzitterten, Parlamente brannten (zumindest fast) und Völker sich neu formierten.

Explosion, die nie stattfand – England 1605

Wir beginnen in London, im Jahr 1605. Tief unter dem Parlamentsgebäude lagerten 36 Fässer Schwarzpulver – genug, um den gesamten Bau in Schutt und Asche zu legen. Der Plan war klar: König Jakob I. und das protestantische Establishment sollten ausgelöscht werden, um den Katholizismus wieder auf Englands Thron zu heben. Doch in der Nacht zum 5. November wurde ein Mann mit Zündschnur und dunklem Mantel im Keller entdeckt: Guy Fawkes.

Er wurde verhaftet, gefoltert und schließlich hingerichtet. Der Anschlag – der „Gunpowder Plot“ – scheiterte, aber seine Symbolkraft überdauerte die Jahrhunderte. Noch heute lodern in Großbritannien am 5. November die Feuer der „Bonfire Night“. Puppen, die „Guys“ genannt werden, verbrennen, und bunte Raketen erhellen den Himmel. Es ist ein skurriles Volksfest – eine Mischung aus Dankbarkeit, Angstbewältigung und ausgelassener Schadenfreude.

Manchmal denkt man: Wie dünn ist doch die Linie zwischen Erinnerung und Ritual?

5. November 1688 – Der „glorreiche“ Einmarsch

Ein weiteres Kapitel, das sich in England aufschlug, spielte sich genau 83 Jahre später ab. Am 5. November 1688 landete Wilhelm von Oranien mit einer holländischen Flotte an der englischen Küste. Der protestantische Statthalter sollte das katholische Königshaus Stuarts stürzen. Dieser Einmarsch – später „Glorious Revolution“ genannt – verlief fast ohne Blutvergießen und führte zu einer konstitutionellen Monarchie, deren Spuren sich noch heute im britischen Regierungssystem finden.

Ironischerweise fiel der Tag seiner Landung ebenfalls auf den 5. November – als wolle die Geschichte sich selbst ein Augenzwinkern gönnen.

5. November 1914 – Der Krieg dehnt sich aus

Schnitt. Wir springen ins 20. Jahrhundert. Am 5. November 1914 erklärten Großbritannien und Frankreich dem Osmanischen Reich den Krieg. Das Reich am Bosporus hatte kurz zuvor den Dschihad gegen die Entente ausgerufen und sich mit dem Deutschen Kaiserreich verbündet.

Damit weitete sich der Erste Weltkrieg auf neue Kriegsschauplätze aus: Nahost, Kaukasus, Dardanellen. In Gallipoli starben zehntausende Soldaten, und in der Folge zerfiel das Osmanische Reich – der Nahe Osten wurde neu gezeichnet. Grenzen, die noch heute Konflikte nähren, fanden damals ihren Anfang.

Wer den 5. November 1914 betrachtet, erkennt: Ein Tag kann den Verlauf ganzer Regionen verändern.

5. November 1937 – Der Schatten über Europa

Ein weiteres einschneidendes Ereignis fand 1937 in Berlin statt. In einer geheimen Konferenz in der Reichskanzlei – der sogenannten „Hoßbach-Niederschrift“ – legte Adolf Hitler seine Expansionspläne dar. Diese Notiz wurde später in den Nürnberger Prozessen als Beweis für die gezielte Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs herangezogen.

Ein vertrauliches Treffen also, das in der Rückschau wie der leise erste Ton einer Katastrophe klingt.

Frankreich am 5. November – Von Revolution bis Republik

Frankreich kennt den 5. November als Datum politischer Spannungen und Wendepunkte. Im Jahr 1799 – genauer gesagt am 15. Brumaire nach Revolutionskalender, was dem 5. November 1799 entspricht – bereitete Napoléon Bonaparte seinen Staatsstreich vor, der zwei Tage später das Direktorium stürzte und ihn an die Macht brachte.

Frankreich wandelte sich damit von der revolutionären Republik zu einer autoritären Konsulatsregierung. Es war der Anfang einer neuen Ära – der Weg vom General zum Kaiser, vom Chaos zur Ordnung (zumindest vorübergehend).

Und 1830? Am 5. November 1830 trat in Paris die neue Verfassung der sogenannten Julimonarchie in Kraft – ein Versuch, die Machtbalance zwischen Krone und Volk zu stabilisieren.

Selbst in der jüngeren Geschichte markierte dieses Datum symbolische Akzente: Demonstrationen, kulturelle Ereignisse, Tage des Protests. Der 5. November scheint – auf französischem Boden – immer ein Tag des Übergangs zu sein.

5. November heute – Von Romani-Sprache bis Klimaaktivismus

Seit 2015 gilt der 5. November zudem als Weltweiter Tag der Romani-Sprache. Damit würdigt man die Kultur und Identität der Roma und Sinti – ein kleiner, aber wichtiger Schritt gegen das Vergessen. Sprache ist schließlich mehr als ein Werkzeug, sie ist Heimat.

Und in unserer Gegenwart? In London, Paris und Berlin ziehen heute junge Aktivisten durch die Straßen, manche tragen Guy-Fawkes-Masken – jenes Symbol, das durch den Film V for Vendetta und die Anonymous-Bewegung zu einem Zeichen des digitalen Widerstands wurde.

Aus einem gescheiterten Anschlag vor 400 Jahren erwuchs so ein Symbol für Freiheit und Protest. Die Ironie der Geschichte hat Stil, nicht wahr?

Echo eines Datums

Wenn man all das zusammenfasst, zeigt der 5. November ein erstaunliches Muster: Macht, Widerstand, Aufbruch – und Erinnerung. In England zünden die Menschen Feuerwerke, in Frankreich erinnern sich Historiker an den Beginn von Napoleons Aufstieg, und weltweit reflektiert man die fragile Balance zwischen Ordnung und Revolte.

Vielleicht steckt darin die eigentliche Botschaft dieses Tages: Jede Generation hat ihren eigenen „5. November“ – einen Moment, in dem das Alte ins Wanken gerät und das Neue noch nicht Gestalt angenommen hat.

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