Die Bühne steht. Der Dschungel dampft. Die Kameras laufen. In Belém, mitten im Amazonas, beginnt in diesen Tagen die COP30 – der 30. Versuch, dem Planeten das Überleben zu sichern.
Und es drängt sich eine schmerzhafte Frage auf:
Dürfen wir bei den Politikern dieser Welt überhaupt noch auf Vernunft hoffen?
Was da auf den Konferenztischen verhandelt wird, klingt nach Aufbruch, nach Lösungen, nach globalem Schulterschluss. Aber zwischen der Rhetorik und der Realität liegen oft Lichtjahre – oder, sagen wir es, wie es ist: Lügenmeilen.
Eine Welt am Limit – und sie spielen weiter Theater
Wir leben im wärmsten Jahrzehnt der Menschheitsgeschichte. Die Gletscher schmelzen, Wälder brennen, Meere übersäuern. Millionen Menschen fliehen bereits heute vor einer Klima-Zukunft, die längst begonnen hat. Und was tun unsere Staats- und Regierungschefs?
Sie fliegen mit Regierungsjets in die Amazonasregion, um in klimatisierten Konferenzsälen über Emissionsziele zu parlieren – während draußen, keine hundert Kilometer entfernt, Bäume fallen für Soja, Viehzucht, Asphalt.
Es ist grotesk.
Die symbolische Wahl Beléms als Konferenzort wirkt auf den ersten Blick clever: Der Regenwald, die grüne Lunge der Erde, als Mahnmal und Hoffnungsträger zugleich. Doch auf den zweiten Blick wird klar: Diese Bühne ist eine Falle. Denn wer den Amazonas als Kulisse nutzt, muss liefern – und nicht nur Selfies posten mit tropischer Flora im Hintergrund.
Die große Show des Kleinmuts
Natürlich sind da auch engagierte Stimmen. Klimaaktivisten, indigene Vertreter:innen, Wissenschaftler:innen, NGOs. Sie kämpfen, argumentieren, dokumentieren – mit Mut und Herzblut. Aber was bringt das alles, wenn am Ende der Machtpoker wieder das Spiel bestimmt?
Die Nationalstaaten stehen sich gegenseitig auf den Füßen. Jeder wartet, bis der andere den ersten Schritt macht. China schaut auf die USA, die USA schauen nur noch auf sich selbst, Europa schaut… sich selbst beim Zaudern zu.
Und dann, wenn das Abschlussdokument steht, klopfen sich alle auf die Schulter und sprechen von „wichtigen Fortschritten“. Fortschritten, die oft nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie festgehalten wurden.
Wer zahlt, darf reden – wer leidet, bleibt stumm
Die zentrale Ungerechtigkeit bleibt: Die Industrienationen, die jahrzehntelang Profite auf Kosten des Klimas gemacht haben, wollen nur zögerlich zahlen. Für Anpassung, für Schutz, für gerechte Übergänge.
Doch während sie diskutieren, ob drei Milliarden Dollar zu viel sind, versinken ganze Landstriche in Fluten. Sterben Kinder an Dürre. Verliert der Süden die Geduld – und das Vertrauen.
Wie kann es sein, dass im Jahr 2025 noch immer keine verbindlichen Finanzierungszusagen existieren, die diesen Namen verdienen?
Mutlosigkeit ist kein Naturgesetz
Vielleicht liegt das eigentliche Problem gar nicht im System. Sondern in der Mentalität. In einem politischen Denken, das selbst im Angesicht der Katastrophe auf kurzfristige Vorteile schaut.
Aber: Wer sich heute nicht ändert, wird morgen gezwungen sein, zu retten, was nicht mehr zu retten ist.
Was wir brauchen, ist keine weitere Konferenz mit warmen Worten. Sondern eine radikale Kehrtwende. Eine neue politische Kultur – global und ehrlich.
Eine Kultur, die Verantwortung nicht vertagt, sondern wahrnimmt.
Eine, die Gerechtigkeit nicht verhandelt, sondern verankert.
Eine, die nicht fragt, was möglich ist, sondern was notwendig ist.
Und wir? Wir schauen zu. Noch.
Vielleicht ist das der bitterste Teil der Wahrheit: Wir alle lassen es zu. Zu oft. Zu lange.
Wir hoffen auf Vernunft – bei denen, die längst gezeigt haben, dass sie lieber Macht verteidigen als Zukunft gestalten.
Aber Hoffnung allein reicht nicht mehr.
Nicht bei 1,5 Grad. Nicht bei COP30. Nicht im Amazonas.
Was also bleibt?
Vielleicht diese unbequeme Erkenntnis: Wenn wir der Vernunft der Politik nicht mehr trauen, müssen wir selbst unbequem werden.
Sehr unbequem.
Ein Kommentar von Andreas M. Brucker
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