Tag & Nacht


Die Generation Z – gemeinhin definiert als die zwischen etwa 1997 und 2012 geborenen Jahrgänge – steht im Fokus wachsender Aufmerksamkeit. Nicht selten wird sie dabei mit Misstrauen betrachtet: als angeblich illoyal, bildschirmfixiert, politisch wankelmütig oder ökonomisch schwer integrierbar. Doch wie belastbar sind diese Urteile wirklich – und was offenbart ein differenzierter Blick auf die jüngste erwachsene Generation, insbesondere in Frankreich?

Frankreich, ein Land mit starkem republikanischem Selbstverständnis und ausgeprägten soziopolitischen Spannungen, dient als aufschlussreicher Spiegel für die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Rollen der Generation Z. Zwischen Arbeitswelt, Politik, Kultur und digitaler Identität – das Verhältnis zwischen einer sich verändernden Gesellschaft und ihren jüngsten Akteuren ist ambivalent.


Zwischen Digitalisierung und Sinnsuche: Die Wertewelt der Generation Z

Wer über die Generation Z spricht, kommt an einem Punkt nicht vorbei: Sie ist die erste vollständig digital sozialisierte Generation. Smartphones, soziale Medien, algorithmisch kuratierte Inhalte – all das ist für ihre Mitglieder keine Innovation, sondern selbstverständlicher Bestandteil des Alltags. Der französische Soziologe Jean Twenge spricht in diesem Zusammenhang von einer „hypervernetzten Sozialisation“, die neue Formen der Selbstwahrnehmung, des Lernens und der Meinungsbildung hervorbringe.

Doch Technikaffinität ist nicht gleichbedeutend mit Oberflächlichkeit. Zahlreiche Studien – etwa von McKinsey oder dem Global Web Index (GWI) – zeigen, dass junge Menschen heute in hoher Zahl nach beruflicher Sinnhaftigkeit und gesellschaftlicher Wirkung streben. In Frankreich äußerten laut einer Studie des Institut Montaigne (2024) 64 % der 18- bis 25-Jährigen, sie wollten für Unternehmen arbeiten, die ökologische und soziale Verantwortung übernehmen. Diese Haltung stellt klassische Führungsmodelle in Frage und fordert Arbeitgeber heraus – insbesondere in Frankreichs traditionell hierarchisch geprägtem Arbeitsmarkt.


Psychische Belastung und politischer Druck: Eine fragile Generation?

So engagiert viele Angehörige der Generation Z auftreten – gleichzeitig sind sie eine Generation unter Stress. Die Covid-19-Pandemie hat in Frankreich wie in vielen anderen Ländern tiefe Spuren hinterlassen. Eine Untersuchung der französischen Gesundheitsbehörde Santé publique France (2023) ergab, dass rund 40 % der jungen Erwachsenen im Land Symptome von Angst oder Depression aufwiesen – eine Zahl, die deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung liegt.

Diese psychische Belastung trifft auf eine politische Öffentlichkeit, die zunehmend polarisiert ist. In Frankreich zeigen sich diese Bruchlinien besonders deutlich: Der Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen (wie Rassemblement National), die massiven Proteste gegen Rentenreformen und ein zunehmendes Misstrauen gegenüber etablierten Parteien machen es jungen Menschen schwer, stabile politische Orientierungen zu entwickeln. Gleichzeitig lässt sich eine hohe Bereitschaft zur punktuellen Mobilisierung beobachten – etwa über soziale Medien oder in Bewegungen wie „#NousToutes“ oder „Fridays for Future“. Politikwissenschaftler wie Jérôme Fourquet (IFOP) sprechen von einem „zerrissenen Engagement“ – geprägt von emotionaler Beteiligung, aber institutionellem Misstrauen.


Arbeit, Wandel, Widerstand: Ökonomische Realitäten

Auf dem französischen Arbeitsmarkt zeigen sich typische Spannungsfelder der Generation Z besonders scharf. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt seit Jahren deutlich über dem europäischen Durchschnitt – 2025 betrug sie laut Eurostat rund 16 %. Hinzu kommt eine strukturelle Unsicherheit, etwa durch den wachsenden Einfluss der Plattformökonomie, befristete Verträge (CDD) und eine geringe Aufstiegsperspektive im Niedriglohnbereich.

Für viele junge Menschen ist daher nicht Loyalität zum Arbeitgeber, sondern persönliche Resilienz und Flexibilität das oberste Gebot. Laut einer Studie der Direction de l’Animation de la recherche, des Études et des Statistiques (DARES) im Jahr 2024 wechseln unter 30-Jährige im Durchschnitt alle zwei bis drei Jahre den Job – deutlich häufiger als ihre Eltern-Generation. Diese „ökonomische Pragmatik“ wird von manchen als fehlende Verbindlichkeit kritisiert, könnte jedoch auch als Reaktion auf ein prekäres System verstanden werden.


Mediennutzung und Informationsökologie: Eine neue Aufmerksamkeitskultur

Ein weiteres zentrales Merkmal der Generation Z ist ihre Art, Informationen zu konsumieren. Studien wie jene des französischen Think-Tanks Fondation Jean-Jaurès (2024) zeigen, dass klassische Medienformate (Fernsehen, Printzeitungen) massiv an Bedeutung verloren haben. Stattdessen dominieren TikTok, Instagram und YouTube – Plattformen, auf denen Informationen oft fragmentiert, emotionalisiert und ohne journalistische Kontrolle zirkulieren.

Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Wie lässt sich politische Bildung in einer Welt fördern, in der „Informationsblasen“ und algorithmisch gefilterte Inhalte die Wahrnehmung prägen? Gleichzeitig zeigen Forschungen – etwa von arXiv.org (2023) –, dass viele junge Nutzer:innen durchaus Strategien zur Quellenprüfung entwickeln. Die Herausforderung besteht daher weniger in einem Mangel an Fähigkeiten als in einer Überflutung durch Reize und Widersprüche.


Zweifelsohne steht die Generation Z an der Frontlinie gesellschaftlicher Umbrüche – ökologisch, technologisch, politisch. In Frankreich, wo der Generationenkonflikt historisch stark ausgeprägt ist, erscheint sie manchen als Provokation: illoyal, schwer zu führen, unberechenbar. Doch diese Zuschreibungen verkennen, dass sich hinter dem Verhalten junger Menschen oft nicht Ablehnung, sondern eine Reaktion auf strukturelle Unsicherheiten verbirgt.

Die Generation Z ist keine Bedrohung, sondern ein Seismograph für gesellschaftliche Veränderungen. Ihre Forderungen nach Sinn, Partizipation und Flexibilität sind Ausdruck eines neuen Zeitgeists – und vielleicht auch ein Korrektiv für überkommene Systeme. Wer sie verstehen will, muss zuhören, beobachten – und bereit sein, alte Maßstäbe zu hinterfragen.

Autor: Andreas M. Brucker

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