Ich bin Vater. Mein Sohn ist 17. Er spielt Geige, hat sich gerade in eine Klassenkameradin verliebt und will einmal Archäologe werden, weil ihn Geschichte interessiert – nicht, weil er damit leben und nicht darin sterben will.
Als ich die Worte des französischen Generalstabschefs las – dass Frankreich bereit sein müsse, „seine Kinder zu verlieren“, um auf einen möglichen Krieg vorbereitet zu sein – hat es mir den Atem verschlagen. Nicht weil ich naiv bin. Nicht weil ich nicht weiss, dass es Gefahren gibt. Sondern weil ich spürte, wie sich etwas verschiebt. Weil jemand, der großen Einfluss im Staat hat, in dieser Klarheit von Opferbereitschaft spricht – und nicht von Friedenspflicht.
Man kann diese Rede analysieren, einordnen, strategisch durchdenken. Ich verstehe, dass Abschreckung auch psychologische Stärke bedeutet. Aber hinter jeder geopolitischen Lage, hinter jedem strategischen Szenario, stehen Menschen. Kinder. Meines. Ihres. Unsere.
Mein Sohn hat mich neulich gefragt, warum in Europa wieder so viel über Krieg gesprochen wird. Ich hatte keine gute Antwort. Ich sagte etwas über Putin, über die Ukraine, über die NATO, über Sicherheit. Aber ich vermied das Wort „Tod“. Und ich vermied es, ihm zu sagen, dass es offenbar wieder Männer in Uniform gibt, die bereit sind, die Jugend eines Landes zu zählen wie strategische Reserven.
Es heisst oft: Frieden müsse verteidigt werden. Das stimmt. Aber Frieden ist mehr als das Schweigen der Waffen – er beginnt in den Köpfen. In den Worten. In der Haltung. Und ja, auch in der Rhetorik von Generälen. Wer den Frieden will, darf nicht zuerst von Opfern sprechen. Er muss von Lösungen sprechen. Von Diplomatie. Von dem, was uns zusammenhält – nicht von dem, was uns zerschneidet.
Ich will nicht, dass mein Sohn in einem Graben stirbt, damit man in Paris beweisen kann, wozu Frankreich bereit ist. Ich will, dass er lebt. Dass er Zukunft hat. Dass unsere Politiker und Militärs sich nicht nur fragen, wie man einen Krieg gewinnt – sondern wie man ihn verhindert.
Denn es gibt sie noch, die andere Seite. Die Stimmen, die nach Entspannung, nach Verständigung rufen. Aber sie sind leise geworden. Und ich frage mich: Wer kämpft heute noch für den Frieden?
Wir sollten nicht still sein, wenn das Reden über Krieg wieder salonfähig wird. Wenn das Sterben als notwendige Konsequenz beschrieben wird. Wir haben genug Gräber in Europa. Wir sollten nicht neue planen.
Nie wieder Krieg in Europa – das war einmal unser Schwur. Jetzt scheint er zu verblassen. Ich will ihn wieder laut sagen. Und ich hoffe, ich bin nicht allein.
Ein Kommentar von M. Legrand
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