Wer sich mit historischen Kalenderdaten beschäftigt, stolpert beim 25. November über eine spannende Mischung: politische Zäsuren, physikalische Revolutionen, kulturelle Eigenheiten und eine ordentliche Portion Symbolkraft – sowohl weltweit als auch in Frankreich. Ein Tag, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, sich aber als wahres Kaleidoskop geschichtlicher Bedeutungen entpuppt.
Fangen wir mit dem Offensichtlichen an.
Der Kampf gegen Gewalt an Frauen
Seit mehreren Jahrzehnten wird am 25. November international ein Thema beleuchtet, das leider so aktuell wie erschütternd ist: die Gewalt gegen Frauen. Dieser Tag wurde nicht zufällig gewählt – er erinnert an die brutale Ermordung der drei Mirabal-Schwestern in der Dominikanischen Republik im Jahr 1960. Die Frauen hatten sich mutig gegen die Diktatur gestellt und wurden dafür von Schergen des Regimes getötet. Aus diesem tragischen Vorfall erwuchs ein weltweites Symbol des Widerstands und des Empowerments. Heute dient der 25. November als Startschuss für eine 16-tägige Aktionsperiode, in der global auf das Problem geschlechtsspezifischer Gewalt aufmerksam gemacht wird.
Man könnte fragen: Braucht es wirklich einen internationalen Gedenktag, um auf Missstände hinzuweisen, die wir längst kennen? Die Realität antwortet klar – ja. Gerade in Zeiten, in denen Fortschritte rückgängig gemacht und Gleichstellungsdebatten hitziger geführt werden denn je, erinnert uns dieser Tag daran, dass Gleichberechtigung kein Selbstläufer ist.
Der letzte Akt in New York City
Springen wir ins Jahr 1783. Die Amerikanische Revolution ist praktisch beendet. Am 25. November verlassen die letzten britischen Truppen das heutige New York City – die Stadt, die jahrelang britische Hochburg war, wird wieder amerikanisch. Die Szene war fast filmreif: Ein patriotischer Triumphzug, die Flagge mit den dreizehn Sternen im Wind, der Blick nach vorne in ein neues Zeitalter. Für die Vereinigten Staaten war es ein Tag der Selbstvergewisserung. Der endgültige Abschied vom Kolonialstatus.
Interessant ist, wie stark dieser Tag das amerikanische Nationalbewusstsein geprägt hat, obwohl er heute kaum noch zelebriert wird. Vielleicht, weil die Bedeutung in der Rückschau zu „offensichtlich“ erscheint? Oder weil Revolutionen selten ein fixes Ende haben – sondern eher auslaufen wie ein langer, zäher Regen?
Einsteins großer Moment
Nur ein paar Jahrzehnte später, 1915, sorgt ein Mann mit wildem Haar und scharfem Verstand für ein wissenschaftliches Beben: Albert Einstein stellt seine Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie vor. Am 25. November 1915 präsentierte er sie in Berlin – und katapultierte die Physik in ein neues Zeitalter. Raum und Zeit wurden elastisch, Gravitation eine Krümmung der Raumzeit – Konzepte, die heute noch unser technisches Leben beeinflussen: von GPS bis Satellitenkommunikation.
Könnte man sagen, der 25. November sei auch ein Tag der intellektuellen Sprengkraft? Ohne Zweifel.
Frankreichs Katharinen und ihre Hüte
Wer in Frankreich lebt oder dort aufgewachsen ist, kennt einen ganz anderen Aspekt dieses Datums: La Sainte-Catherine. Ein traditionsreicher Tag, vor allem für junge Frauen. In Paris sieht man am 25. November Frauen mit schrillen, bunten Hüten – die sogenannten „Catherinettes“. Dieser Brauch stammt aus dem Mittelalter: Frauen, die mit 25 noch unverheiratet waren, galten als „alte Jungfern“ – ein Stigma, das heute eher augenzwinkernd begangen wird. Die Hüte sind Symbol für Lebensfreude, Eigenständigkeit und manchmal auch ein ironischer Kommentar zur Ehe.
Natürlich: Diese Tradition wirkt aus heutiger Sicht etwas aus der Zeit gefallen. Und doch bleibt sie ein spannendes Beispiel für gelebte Kultur – die sich wandelt, aber nicht verschwindet.
Übrigens gibt es auch in der französischen Landwirtschaft einen Bezug zum 25. November. Bauernregeln rund um die Heilige Katharina sagen, dass ab diesem Tag der Winter endgültig Einzug hält. „An Katharina fängt der Winter an“ – eine Wetterregel, die zwar nicht immer zutrifft, aber irgendwie stimmig bleibt.
Kleiner Sprung nach vorn: Was bedeutet all das heute?
Die Mischung aus Gedenktag, Wissenschaftsrevolution, Traditionspflege und politischem Wendepunkt macht den 25. November zu einem bemerkenswerten Spiegel der Weltgeschichte. In gewisser Weise steht er für die ganze Bandbreite menschlichen Handelns: Widerstand und Fortschritt, Tradition und Wandel, Schmerz und Hoffnung.
Manchmal sind es eben nicht die „großen“ Daten – wie der 9. November in Deutschland oder der 14. Juli in Frankreich – die am meisten aussagen. Sondern die stilleren, vielseitigeren, die sich erst auf den zweiten Blick entfalten.
Und ganz ehrlich: Wer denkt beim 25. November an Einstein, Revolution oder feministische Kämpferinnen? Genau deshalb lohnt sich ein Blick auf dieses Datum. Es zeigt, dass Geschichte nicht nur aus Monumenten besteht – sondern auch aus stillen Revolutionen im Denken, im Alltag, im menschlichen Miteinander.
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