Es gibt Dörfer, die scheinen im Dezember ein zweites Herz zu entwickeln.
Ein Herz aus Lichtern, Lachen, Holzduft und einem Hauch von leiser Magie.
Janvry gehört genau zu dieser seltenen Sorte.
Ein paar Häuser, Felder, Wind, ein Kirchturm, der schon vieles gesehen hat – und plötzlich, kaum fällt das erste kalte Licht über die Landschaft, kehrt eine Art Festspiel ein, das so eigen klingt wie die Stimme eines alten Freundes, den man lange nicht besucht hat. Und dieses Jahr schlägt dieses Herz kräftiger als sonst. Denn die Gaulois sind angekommen. Nicht die aus dem Geschichtsbuch – die aus dem Parc Astérix, mit Balken, Brunnen und dem Augenzwinkern eines Freizeitparks, der Generationen begleitet.
Doch fangen wir vorne an.
Ein Dorf, das Weihnachten nicht feiert – sondern lebt
Janvry, kaum 600 Seelen stark, könnte leicht im Laut der Städte verschwinden. Stattdessen leuchtet es. Und wie.
Einmal im Jahr verwandelt sich das Dorf in ein Labyrinth aus Lichtern, Hütten, dampfenden Kesseln und Stimmen, die miteinander schmelzen, als wären sie schon immer verwandt gewesen.
Der Marché de Noël von Janvry ist kein Event.
Er ist ein Ritual.
Ein Wiedersehen.
Ein Stück Zuhause.
Und genau deshalb kommen jedes Jahr Zehntausende.
Manche sagen, sie möchten nur schauen. Andere suchen ein Geschenk. Viele kommen, weil sie wissen, dass ihnen hier ein kleines Abenteuer begegnet, das mit dem Alltag nicht viel zu tun hat.
Die Wahrheit?
Die meisten kommen wegen dieses Gefühls, das man kaum benennen kann – wie ein Mantel, der nach Kindheit riecht.
Die Ankunft der alten Balken – und eines neuen Kapitels
Es begann mit einer Idee, wie so viele Geschichten, die größer werden, als man zuerst ahnt. Irgendwo im Parc Astérix, in einer Ecke, in der früher das „Petit Paris médiéval“ stand, lagen alte Dekorelemente: eine Holzhütte, so stattlich, dass man meinen könnte, sie trage Geschichten in den Fugen; eine steinerne Brunnenanlage, schwer wie ein halber Winter; dazu Figuren, Reliefs, Holzornamente, die ihre besten Jahre zwischen Karussellgelächter verbracht hatten.
Viele hätten sie in Container gelegt und adieu gesagt.
Janvry tat das Gegenteil.
Das Dorf sagte: Wir schenken ihnen ein neues Leben.
Und so kam es, dass acht große Laster durch die Landschaft polterten – vollgepackt mit rund dreißig Tonnen Erinnerung, Fantasie und patiniertem Holz. Die Fahrer staunten, die Helfer schwitzten, die Koordination glich einem Ballett auf Reifen. Und doch klappte alles, weil eine Armee von Freiwilligen das Ganze trug wie ein gemeinsames Kind.
Mehr als hundert Menschen halfen mit, Schulter an Schulter, Handschuh an Handschuh. Wenn man sie heute fragt, warum sie das taten, lächeln sie nur: »Ach, das ist Janvry.«
Als wäre das Antwort genug.
Vielleicht ist es das auch.
Die Kunst der Wiederbelebung – oder: Wie man aus Vergangenheit ein Fest zaubert
Die alten Dekorelemente wurden nicht einfach hingestellt.
Nein, hier spürte man Liebe im Schrauben, Geduld im Ausrichten, Fantasie in jeder Ecke. Die große Holzhalle wurde zu einem Treffpunkt, einem Raum, der Wärme ausstrahlt wie ein Kamin im Wald. Der massive Brunnen – ach, dieser Brunnen! – steht nun wie ein Herzstein mitten im Geschehen, ein Symbol für alles, was hier fließt: Geschichte, Gemeinschaft, Humor.
Man könnte sich fragen:
Wie schafft ein Dorf, was ganze Städte kaum stemmen?
Vielleicht liegt die Antwort im unsichtbaren Faden zwischen den Menschen.
Vielleicht auch in diesem besonderen Funken, der entsteht, wenn man Dinge rettet, die andere aufgeben.
Und ehrlich, wer hätte gedacht, dass gallische Anmut sich so gut mit Adventskerzen verträgt?
Zwei Wochenenden, ein ganzes Universum
Der Markt verteilt sich über zwei Wochenenden: das erste Ende November, das zweite im frühen Dezember. Wer ankommt, fühlt sofort dieses leichte Ziehen im Bauch, dieses »Oh, hier bleib ich doch ein bisschen länger«.
Dutzende Hütten reihen sich wie kleine Kapitel eines großen Winterbuchs aneinander.
Gerüche von Käse, Kräutern, Schokolade, gebrannten Nüssen und warmem Holz mischen sich miteinander wie ein Chor. Es klingt nach Stimmen, die plaudern, lachen, singen – manchmal auch einfach schweigen, wenn die Lichterkette über ihnen glitzert.
Auffällig ist, wie stolz die Ausstellenden auf ihre Werke schauen. Nichts wirkt aufgesetzt. Alles wirkt handgemacht. Und jede kleine Kreation erzählt ein Stück von jemandem.
Ein Mann reicht mir eine Apfeltarte, die glänzt wie bernsteinfarbener Herbst.
Eine Frau zeigt kleine Holzengel, deren Flügel aussehen, als könnten sie gleich wirklich flattern.
Ein Kind läuft an mir vorbei und ruft: »Mama, die Gallier sind da!«
Und genau so soll es sich anfühlen.
Ein Dorf, das zupackt – und zusammen lacht
Es gibt Momente im Leben eines Dorfes, die wie Prüfsteine erscheinen.
Dies hier war so einer.
Wer schon einmal versucht hat, dreißig Tonnen Material zu bewegen, weiß, dass gern etwas daneben geht. Und doch – in Janvry rührte sich ein Teamgeist, der die Lasten zu federleichten Aufgaben machte. Männer und Frauen bauten die Elemente auf, richteten sie aus, hoben, schoben, verankerten.
Die Kinder? Die standen daneben, hielten Werkzeug oder machten Quatsch, was manchmal nötiger wirkt als jede Zange.
Und als die Sonne zum ersten Mal auf die neu montierten Dekore fiel, stand ein kleines Grüppchen zusammen, schaute und schwieg.
Jemand sagte schließlich:
»C’est beau, quand même.«
Alle nickten.
Man spürte, dass dieser Moment sich einbrennt wie ein Foto im Inneren.
Weihnachten mit gallischem Humor – ein gelungener Spagat
Was Janvry dieses Jahr erschaffen hat, mischt Welten, die auf dem Papier kaum zusammenpassen. Mittelalterliche Fantasie eines Freizeitparks. Ländliche Weihnachtsromantik. Moderne Themen wie Nachhaltigkeit, Upcycling, ressourcenschonende Kreativität.
Und doch – alles fügt sich.
Es wirkt, als würden sich diese Elemente gegenseitig anlächeln.
Warum funktioniert das so gut?
Vielleicht, weil das Dorf nicht versucht, wie jemand anderes zu sein.
Janvry wirkt authentisch, selbstbewusst, charmant trotzig. Wie ein kleiner Ort, der sagt: »Hier läuft es eben auf unsere Art.«
Und genau darum kommen die Leute. Sie suchen etwas Echtes, etwas, das nicht nach Plastik riecht. Etwas, das eine Geschichte erzählt und einen festen Boden unter den Füßen hat.
Die stille Botschaft hinter den Lichtern
Wenn man durch den Markt geht, fällt einem schnell etwas auf, das tiefer reicht als Glühwein und Holzbuden.
Es geht um Werte, die man nicht groß herumschiebt, sondern einfach lebt.
Upcycling, ja – klar.
Aber vor allem: gemeinschaftliches Denken. Ressourcen neu betrachten. Hingabe. Diese Art von Fürsorge, die keine Überschrift braucht.
In einer Zeit, in der vieles schnell entsorgt wird – Menschen, Dinge, Ideen – zeigt Janvry, dass man aus Vergangenem ein Morgen baut, das strahlt wie frisch gefallener Schnee.
Und mal ehrlich: Wäre das nicht ein Gedanke, der uns allen etwas gut tut?
Ein Markt, der mehr als Besucher anzieht
Ich treffe ein Paar aus Paris.
Sie sagen: »Wir kommen seit zehn Jahren. Aber dieses Jahr ist anders.«
Dann lachen sie und zeigen auf den Brunnen: »Der da. Der macht’s irgendwie rund.«
Neben ihnen steht eine ältere Dame, die nach Kräutern riecht und mit zarten Fingern filigrane Dekore zurechtrückt. Sie sagt leise: »Man fühlt sich hier nicht wie Kundschaft. Man fühlt sich wie Gast.«
Und das stimmt. Dieses Dorf bietet nichts an, was nach Werbetrick klingt.
Es bietet Wärme an, fast beiläufig.
Wem könnte das in diesen Zeiten nicht guttun?
Ein nächtlicher Spaziergang – und ein Gedanke, der bleibt
Als die Menschenströme langsam abebben und die Dunkelheit tiefer sinkt, wirkt Janvry wie ein Schneekugelmotiv, das jemand geschüttelt hat und einfach stehen lässt, damit man es lange genug anschauen kann.
Der Himmel hängt tief.
Die Lichter zittern leicht.
Ein Windstoß bringt die Holzschindeln zum Knistern.
Ich bleibe kurz stehen, direkt neben dem alten Parc Astérix Brunnen.
Man hört noch ein paar Stimmen in der Ferne, das Klirren eines Topfs, ein kurzes Gelächter.
Da frage ich mich plötzlich:
Wie oft unterschätzen wir, was kleine Orte leisten können, wenn große Träume in ihnen landen?
Vielleicht ist diese Frage Teil dessen, was Janvry so besonders macht.
Ein Ort, den man nicht vergisst – auch wenn man nur einmal da war
So endet mein Besuch – mit warmen Händen, kalter Nase, und einem stillen Gefühl, das sich nur schwer abstreifen lässt.
Janvry hat ein Kunststück geschafft, das gar nicht so laut daherkommt: Es bringt Fantasie, Gemeinschaft und Geschichte zusammen – und lädt uns ein, für ein paar Stunden mitzuspielen.
Wer dieses Jahr dorthin reist, entdeckt kein x-beliebiges Weihnachtsdorf.
Er entdeckt ein Zeichen dafür, dass Wiederverwertung auch poetisch sein kann.
Dass Freiwillige Großes bewegen.
Dass kleine Dörfer große Geschichten erzählen.
Und vor allem: dass Tradition lebt, wenn Menschen sie tragen.
Ein bisschen gallisch, ein bisschen verwunschen, ganz schön menschlich.
Ein Artikel von M. Legrand
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