Tag & Nacht


Die Nachricht, dass in keinem Gebiet des Gazastreifens derzeit Hungersnot herrscht, wirkte beinahe erleichternd. Die internationale Hunger-Taskforce IPC (Integrated Food Security Phase Classification) stufte Ende Dezember 2025 die Lage in dem kriegszerstörten Küstenstreifen herab. Die im Frühjahr noch geltende Phase-5-Bewertung, die eine Hungersnot nach strengem Kriterienkatalog diagnostiziert, trifft nun auf kein Gebiet mehr zu. Doch Entwarnung ist das nicht. Rund drei Viertel der zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Gazas leben weiterhin in akuter Nahrungsknappheit. Für viele von ihnen bedeutet das: Hunger, Krankheit, Kälte – und kein Ende in Sicht.

Der Preis der Blockade

Dass die Hungersnot formal abgewendet wurde, ist primär der im Oktober vereinbarten Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas zu verdanken. Seither gelangten mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Laut UN und WHO kam es jedoch bereits zuvor zu dramatischen Engpässen, da Israel den Zugang für humanitäre Hilfe monatelang streng limitierte. Immer wieder wurde argumentiert, die Hilfe könnte von militanten Gruppen zweckentfremdet werden. Ein interner Bericht der US-Regierung sowie Einschätzungen der UN widersprachen jedoch diesem Vorwurf: Es gebe keine Belege für systematischen Missbrauch von Hilfsgütern durch die Hamas.

Auch nach Beginn der Waffenruhe überstieg die Zahl der LKW-Ladungen an Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff nur selten das international als Mindestmenge anerkannte Niveau. Die Folge: Nach UN-Schätzungen werden im kommenden Jahr mehr als 100.000 Kinder in Gaza unter akuter Mangelernährung leiden und behandlungsbedürftig sein. Auch für 37.000 schwangere Frauen droht ein kritischer Gesundheitszustand. Die Krise ist also nicht gelöst, sondern nur verlagert – auf unbestimmte Zeit.



Wintereinbruch trifft die Vertriebenen

Die ohnehin prekäre Lage hat sich mit dem Einbruch des Winters dramatisch verschärft. Nach schweren Küstenstürmen starben mindestens ein Dutzend Menschen in überfluteten Zeltlagern. Inzwischen leben Hunderttausende Binnenvertriebene in notdürftigen Behausungen oder den Trümmern zerstörter Wohnhäuser. Mindestens zwei Babys starben laut Ärzten an Unterkühlung. Schutzmaterialien wie isolierende Planen, warme Kleidung oder Heizquellen sind kaum verfügbar oder unterliegen, ebenso wie Decken, israelischen Einfuhrbeschränkungen.

Das verbliebene Gesundheitswesen ist am Limit. Laut einer Analyse des „Economist“ sind von den 18 teilweise funktionstüchtigen Kliniken in Gaza 16 nicht in der Lage, infektiösen Abfall korrekt zu entsorgen. 15 Einrichtungen haben keine stabile Stromversorgung, 13 keine funktionierenden Sanitäranlagen, 11 kein sauberes Wasser. Nur 74 funktionierende Intensivbetten sind noch verfügbar. Internationale Hilfsorganisationen sprechen von einem Kollaps grundlegender Versorgungsstrukturen.

Zwischen politischem Stillstand und geopolitischer Bühne

Inmitten dieser humanitären Katastrophe mehren sich Stimmen, die Israel vorwerfen, eine dauerhafte Erholung Gazas gezielt zu behindern. Amnesty International sieht in der Verweigerung von Baumaterialien und Hilfsgütern eine Mitschuld am fortgesetzten Elend. Auch das kürzlich von Israel errichtete Sperrgebiet „Gelbe Linie“ – ein faktischer Kontrollraum innerhalb Gazas – steht in der Kritik. Ostwärts dieser Linie kontrolliert Israel weite Gebiete direkt, westlich davon überleben die meisten Palästinenser unter miserablen Bedingungen.

Gleichzeitig geht der militärische Konflikt weiter. Obwohl Israel offiziell Truppen aus Teilen Gazas abzog, führt die Armee weiterhin Luftangriffe gegen mutmaßliche Hamas-Stellungen durch. Das Gesundheitsministerium in Gaza meldete seit Beginn der Waffenruhe fast 400 Todesopfer – ohne zwischen Kämpfern und Zivilisten zu unterscheiden.

Die diplomatische Dimension ist nicht minder komplex. US-Regierung, Israel und palästinensiche Akteure ringen um die Umsetzung von Donald Trumps 20-Punkte-Plan zur Stabilisierung Gazas. Dieser sieht unter anderem eine internationale Schutztruppe sowie ambitionierte Wiederaufbaupläne vor. Von Hochgeschwindigkeitszügen, Strandresorts und Wolkenkratzern ist die Rede. Doch gegenwärtig verharrt Gaza in einem Ausnahmezustand.

Israels Premier Benjamin Netanjahu verfolgt derweil eine Hardliner-Agenda. Luftangriffe im Südlibanon, neue Siedlungsprojekte im Westjordanland und eine mögliche Eskalation mit Iran lassen kaum Hoffnung auf eine Deeskalation zu. Bei einem Treffen mit US-Präsident Trump vor Jahresende könnte eine neue antiiranische Offensive Thema werden.

Der saudische Diplomat Manal Radwan warnte auf einer Konferenz in Katar vor einem Rückfall in die bekannten Muster: „Wir haben diesen Film schon einmal gesehen. Krieg, gefolgt von internationaler Anteilnahme, dann humanitäre Hilfe, dann politische Müdigkeit, und am Ende das Vergessen – bis zur nächsten Eskalation.“


ANDERE NACHRICHTEN

Die US-Küstenwache verfolgt einen Öltanker mit Verbindung zu Venezuela, der flüchtete, als amerikanische Behörden am Samstag versuchten, ihn zu entern, wie drei US-Beamte mitteilten.

Die mutmaßlichen Täter des Schusswaffenangriffs am Bondi Beach in Australien – ein Vater-Sohn-Duo – sollen laut Geheimdienstkreisen wenige Wochen vor der Tat während einer Reise auf die Philippinen lokale muslimische Religionsführer getroffen haben.

In Australien zeichnen sich politische Spannungen beim Thema Migration ab, während das Land bei einer Gedenkveranstaltung in Sydney der Opfer des Anschlags gedenkt.

Die US-Vize-Justizministerin erklärte, das Justizministerium werde keine Hinweise auf Donald Trump aus den Regierungsunterlagen zum verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein entfernen.

Internationale Experten berichteten, dass sich die Hungersnot in Gaza-Stadt etwas entschärft habe, jedoch weiterhin Hunderttausende Palästinenser große Schwierigkeiten hätten, an Nahrungsmittel zu gelangen.

Bei einer Massenerschießung in Südafrika wurden mindestens neun Menschen getötet, nachdem nahezu ein Dutzend Bewaffneter das Feuer in einer Taverne nahe Johannesburg eröffnet hatte.

Autor: P. Tiko

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