Was haben 62 Minister, ein Präsident ohne Staatshaushalt, ein Premierminister mit 14-Stunden-Haltbarkeitsdatum und ein Ex-Staatschef im Knast gemeinsam? Richtig: Sie alle sind Teil des französischen Politikbetriebs 2025 – einer Tragikomödie, die selbst Kafka zu absurd gewesen wäre. Während Emmanuel Macron zu Jahresbeginn 2025 noch auf „kollektive Vernunft“ hoffte, stolperte Frankreich in zwölf Monaten durch mehr Regierungswechsel als ein Fußballverein in der Regionalliga Trainer verschleisst.
Macron wünscht sich Stabilität – geliefert wird das Gegenteil
„Ich wünsche mir ein Jahr der Stabilität“, flötete Emmanuel Macron zum Jahreswechsel, ganz der staatsmännische Optimist. Hätte er vielleicht besser ins Horoskop geschaut: Saturn im Haus der chaotischen Institutionen, Mars im Quadrat zu rationalem Haushaltsvollzug. Was folgte, war ein Amtsjahr wie eine Doku über dysfunktionale politische Systeme – nur mit schlechterem Drehbuch.
François Bayrou, politisches Fossil mit Hang zur Selbstüberschätzung, wurde als Premier eingesetzt, weil man dachte, ein alter Zausel mit Verhandlungsgeschick könne das sinkende Schiff schon irgendwie lenken. Doch nach dem üblichen Ritual aus Haushaltsblockade, Rentenfiasko und Provinzskandal war auch er reif fürs präsidiale Recycling. Die Nationalversammlung zog ihm den Stecker – und damit gleich dem ganzen Regierungsapparat.
Lecornu und das Kabinett für 14 Stunden
Sébastien Lecornu sollte es richten. Er tat das, indem er ein Kabinett aufstellte, das kürzer hielt als die Mittagspause eines Beamten. Ganze 14 Stunden – dann krachte es zwischen ihm und Bruno Retailleau. Ob Streit um Inhalte oder nur der bessere Sessel im Kabinettssaal – unklar. Lecornu wurde zwar später im Amt belassen, allerdings mit amputiertem Werkzeugkasten: Kein Artikel 49.3 mehr, keine Rentenreform, kein Spaß.
Das Ergebnis: Politik als Pantomime. Man tut so, als regiere man, während die eigentlichen Entscheidungen von Misstrauensvoten, internen Intrigen und juristischen Pressetexten dominiert werden. Frankreich, die so stolze Republik, wirkt 2025 wie ein Internat ohne Aufsicht – laut, verwahrlost und voller egomaner Nachwuchspolitiker.
Sarkozy im Knast, Le Pen vor Gericht: Bei den Rechten wird aufgeräumt
Wer glaubt, der französische Rechtsstaat funktioniere nicht, wird 2025 eines Besseren belehrt – zumindest, wenn es gegen rechte Prominenz geht. Nicolas Sarkozy, einst Grand Monsieur mit Napoleongesicht, wird wegen mafiöser Machenschaften im Zusammenhang mit libyschem Geld zu echter Haft verurteilt. Zwanzig Tage in La Santé – für einen Mann mit seiner Eitelkeit eine Ewigkeit.
Marine Le Pen wiederum stolpert über ein altbekanntes Hobby des Front National: Phantomjobs im EU-Parlament. Die Strafe: politische Unwählbarkeit – sofort. Sie selbst sieht darin – wie immer – keinen Justiz-, sondern einen Komplottfall. Natürlich. Wahrscheinlich auch orchestriert von der Rothschild-Bank und dem Soros-Netzwerk.
Und während die matriarchale Lichtgestalt des RN juristisch wankt, reibt sich ihr Ziehsohn Jordan Bardella die Hände: Die Macht ist nah, die Konkurrenz schwach, das Programm vage genug, um für alle Frustrierten attraktiv zu bleiben.
Linke Selbstzerstörung als Kunstform
Die Linke, lange totgesagt, lebt – allerdings vor allem in internen Schlammschlachten. Zwischen LFI und Sozialisten herrscht Frostklimastufe V. Die einen werfen den anderen vor, Macrons Fußschemel zu sein, die anderen kontern mit Antisemitismusvorwürfen. Wenn das französische Linkssein 2025 etwas verkörpert, dann Selbstverachtung mit ideologischem Feinschliff.
Olivier Faure wirkt wie der letzte Sozialist, der noch glaubt, Politik könne Menschen helfen. Jean-Luc Mélenchon dagegen zelebriert den intellektuellen Maximalismus, indem er alles kritisiert, was nicht revolutionär genug ist – inklusive sich selbst, wenn’s sein muss. In einer Mischung aus moralischem Überlegenheitsgefühl und politischer Rechthaberei degradiert sich die Linke zuverlässig zur Wahlverliererin mit Prinzipien.
Und plötzlich: Ein Moment der Würde
In all dem Chaos gab es dann doch noch einen Tag, der nicht wie eine Szene aus einer Polit-Soap wirkte: Die Panthéonisierung von Robert Badinter. Alle waren da – Macron, Lecornu, Bardella, vielleicht auch ein Hologramm von Mélenchon. Es war der Moment, in dem sich die französische Politik einig war: Die Vergangenheit ist toll, die Gegenwart ein Desaster, und für die Zukunft hat man immerhin gute Erinnerungen.
Von Andreas Brucker
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