Was bleibt von einem Jahr, das sich anfühlte wie ein permanentes Stolpern zwischen Hoffnung und Erschöpfung? 2025 war kein Jahr der leisen Zwischentöne. Es rumpelte, krachte, flackerte. Politik, Justiz, Kriege, Gesten mit Symbolkraft – alles wirkte gleichzeitig und oft widersprüchlich. Und doch blieben gerade die Brüche im Gedächtnis, diese kurzen Momente, in denen klar wurde: Jetzt verschiebt sich etwas.
Hier ist ein Rückblick in 25 Etappen. Ohne Pathos, aber mit Gefühl. Denn Geschichte passiert nicht nur in Palästen oder Gerichtssälen. Sie sitzt auch am Küchentisch, scrollt Nachrichten und schüttelt ungläubig den Kopf.
1. Der Skipper, der dem Krebs und dem Ozean trotzte
Am 14. Januar segelte Charlie Dalin als Sieger der Vendée Globe ins Ziel – schneller als alle vor ihm. 64 Tage, 19 Stunden, 22 Minuten. Rekord. Monate später kam ans Licht, dass Dalin mit einer Krebserkrankung angetreten war. Kein PR-Manöver, keine große Bühne. Einfach weitermachen. Wer da nicht kurz schlucken musste, hat ein Herz aus Teakholz.
2. Donald Trump kehrt zurück
Am 20. Januar betrat Donald Trump erneut das Weiße Haus. Als 47. Präsident der Vereinigten Staaten, mit dem festen Blick eines Mannes, der überzeugt ist, nie wirklich weg gewesen zu sein. Seine zweite Amtszeit begann mit vertrauten Parolen und einer Welt, die sich fragte: War das ein Comeback oder eher ein Déjà-vu mit neuen Risiken?
3. Diplomatie live und ungeschönt
Am 28. Februar kam es im Oval Office zu einem offenen Schlagabtausch zwischen Trump und Wolodymyr Selenskyj. Trumps Drohung, die Ukrainehilfe einzustellen, falls kein Friedensplan umgesetzt werde, ging um die Welt. Diplomatie ohne Filter – und ohne Sicherheitsnetz. Muss man wirklich alles live senden?
4. Marine Le Pen vor Gericht
Der 31. März erschütterte Frankreich. Marine Le Pen wurde im Verfahren um EU-Parlamentsassistenten zu fünf Jahren Unwägbarkeit verurteilt. Noch nicht rechtskräftig, politisch aber ein Erdbeben. Der Rassemblement National stand plötzlich ohne seine prägende Figur da. Und die Frage lag auf der Straße wie ein umgestürzter Wahlplakatständer: Wer füllt diese Lücke?
5. Ein amerikanischer Papst
Nach dem Tod von Papst Franziskus wählte das Konklave am 8. Mai Robert Francis Prevost zum neuen Kirchenoberhaupt. Papst Leon XIV., Amerikaner, Brückenbauer. Kontinuität mit leichten Kurskorrekturen. In einer Kirche voller Spannungen wirkte seine ruhige Sprache fast wohltuend.
6. PSG und der bittere Triumph
Am 31. Mai gewann Paris Saint-Germain erstmals die UEFA Champions League. Paris jubelte, dann kippte die Stimmung. Ausschreitungen, Chaos, zwei Todesfälle. Ein historischer Sieg – überschattet von einer Nacht, die niemand vergessen wird.
7. Zwölf Tage Kriegsschatten
Am 13. Juni griff Israel mutmaßliche iranische Nuklearanlagen an. Der Iran antwortete mit massiven Raketensalven. Erst am 24. Juni brachte eine US-vermittelte Waffenruhe das Schweigen der Waffen zurück. 28 Tote in Israel, über 1.000 im Iran. Zahlen, die nüchtern wirken, aber Leben bedeuteten.
8. Gaza und der Hunger
Im Frühjahr eskalierte die humanitäre Lage im Gazastreifen. Laut UNO starben mehr als 1.000 Menschen bei chaotischen Hilfsgüterverteilungen. Die Gaza Humanitarian Foundation beendete im November ihre Mission. Die Hungersnot galt offiziell als beendet – aber Ernährungsunsicherheit blieb. Papier meldet Entwarnung, der Magen widerspricht.
9. Absturz in Ahmedabad
Am 12. Juni stürzte eine Boeing 787 der Air India kurz nach dem Start ab. 242 Menschen an Bord, ein Überlebender. Die Ursache blieb ungeklärt. Und wieder zeigte sich, wie dünn die Linie zwischen Alltag und Abgrund ist.
10. Das Wunder von Roland-Garros
Loïs Boisson, 22 Jahre alt, Nummer 361 der Welt, spielte sich bis ins Halbfinale der French Open. Zwei Top-Ten-Spielerinnen bezwungen, ganz Paris im Staunen. Sport liebt solche Geschichten – wir auch.
11. Ein Sommer zwischen Pop und Flammen
Oasis kehrte zurück, Coldplay sorgte mit einem Kusskamera-Moment für weltweite Memes. Gleichzeitig verwüstete ein Waldbrand weite Teile rund um Marseille. Musik, Rauch, Sirenen. Ein Sommer, der alles gleichzeitig bieten wollte.
12. Der Handschlag von Alaska
Am 15. August trafen sich Trump und Wladimir Putin in Alaska. Herzlich, demonstrativ, ohne greifbares Ergebnis. Bilder sagen manchmal mehr als Worte – und manchmal genau das Falsche.
13. Regierungskrise in Paris
Am 8. September verlor Premierminister François Bayrou ein Vertrauensvotum. Ein Novum in der Fünften Republik. Präsident Emmanuel Macron wirkte angeschlagen, das Machtgefüge wackelte sichtbar.
14. Sarkozy hinter Gittern
Am 25. September wurde Nicolas Sarkozy wegen krimineller Vereinigung im Zusammenhang mit libyscher Wahlkampffinanzierung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Zwei davon unbedingt. Nach 20 Tagen kam er frei. Das Buch, das er in Haft schrieb, wurde Bestseller. Frankreich staunte – und diskutierte.
15. Das politische Pingpong um Lecornu
Nur drei Wochen nach Amtsantritt trat Premierminister Sébastien Lecornu zurück – und wurde vier Tage später erneut berufen. Mangels Alternativen. Es wirkte wie politisches Improvisationstheater. Nicht lustig, eher müde.
16. Ein Ende der Geiselkrise
Am 10. Oktober einigten sich Israel und die Hamas auf eine Waffenruhe. Lebende Geiseln, Leichname, Gefangene wurden ausgetauscht. Eine internationale Friedenstruppe soll folgen. Hoffnung? Vorsichtig. Sehr vorsichtig.
17. Generation Z erhebt die Stimme
Von Peru bis Nepal protestierte die junge Generation. Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit, Teilhabe, Zukunft. Im Maghreb reagierten Regierungen mit Reformversprechen, anderswo fielen Regime. Diese Generation diskutiert nicht – sie handelt. Und zwar ziemlich klar.
18. Der Louvre-Coup
Am 19. Oktober verschwanden Juwelen der ehemaligen französischen Krone aus dem Louvre. Diebe in Bauarbeiterkleidung, sieben Minuten, keine Spur vom Diebesgut. Ein „Coup du siècle“, der zeigte: Selbst nationale Schätze sind nicht immer wirksam bewacht.
19. Hurrikan Melissa
Ende Oktober verwüstete Hurrikan Melissa Teile der Karibik. 76 Tote, tausende verloren ihre Existenz. Der Klimawandel rückte erneut ins Zentrum der Debatte. Wie oft noch, bis Worte zu Taten werden?
20. Freiheit für Boualem Sansal
Am 12. November kam Boualem Sansal nach fast einem Jahr Haft frei. Eine Präsidentengnade beendete einen diplomatischen Dauerkonflikt zwischen Paris und Algier. Ein Schriftsteller atmete auf – und mit ihm viele andere.
21. Zehn Jahre 13. November
Zehn Jahre nach den Terroranschlägen von 2015 gedachte Paris der Opfer. Jesse Hughes trat mit Überlebenden im „Chœur du 13“ auf. Trauer und Widerstandskraft in einem Raum. Still. Stark.
22. Brigitte Macron und ein Satz zu viel
Ein abfälliger Kommentar der First Lady über Aktivistinnen von #NousToutes löste einen politischen Sturm aus. Worte wie kleine Funken – und plötzlich stand alles in Flammen. Politik, Justiz, Feminismus prallten frontal aufeinander.
23. Europa zwischen Müdigkeit und Trotz
EU-weit wuchs die Skepsis gegenüber Institutionen, gleichzeitig stieg die Wahlbeteiligung bei lokalen Abstimmungen. Ein paradoxes Bild. Europa wirkt erschöpft – und erstaunlich lebendig.
24. Wirtschaft im Dauerstress
Inflation, Energiepreise, fragile Lieferketten. Unternehmen hielten den Atem an, Verbraucher den Geldbeutel. Und doch entstanden neue Ideen, kleine Startups, lokale Initiativen. Krise als Nährboden – wer hätte das gedacht?
25. Ein Jahr, das nachhallt
2025 war kein Jahr zum Zurücklehnen. Es stellte Fragen, ließ Antworten offen und forderte Haltung. Vielleicht bleibt genau das: das Gefühl, dass nichts selbstverständlich ist. Und dass Engagement nicht warten sollte.
Wer weiß schon, was wir in zehn Jahren über dieses Jahr sagen? Dass es laut war, sicher. Dass es wehtat. Aber vielleicht auch, dass es wach gemacht hat.
Ein Artikel von M. Legrand
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