Ein Ort, der leise spricht, selbst wenn viele zuhören. So beschreiben Einheimische den Cimetière marin von Saint-Tropez, jenen kleinen, zur See hin offenen Friedhof unterhalb der Zitadelle, auf dem bald Brigitte Bardot ihre letzte Ruhe finden soll, und nun also doch nicht auf ihrem Grundstück „La Madrague“. Der Tod der Schauspielerin am 28. Dezember 2025 im Alter von 91 Jahren hat die Aufmerksamkeit der Welt noch einmal auf jenen Küstenstreifen gelenkt, den Bardot über Jahrzehnte geprägt hat wie kaum eine andere. Am 7. Januar 2026, nach einer Trauerfeier in der Kirche Notre-Dame de l’Assomption, wird sie dort beigesetzt.
Die Frage, die sich seither stellt, klingt banal und ist doch von Gewicht: Was passiert mit einem Friedhof, wenn eine Ikone dort begraben liegt.
Der Cimetière marin de Saint-Tropez ist kein touristischer Hotspot. Keine Souvenirbuden, keine Drehkreuze, kein Gedränge. Ein schmaler Weg, Zypressen, Grabsteine, die das Salz der Seeluft auf sich tragen, dahinter das Meer. Hier liegen Eltern, Großeltern, Fischer, Kaufleute – und bereits Angehörige aus Bardots engstem Umfeld, darunter ihre Eltern und ihr ehemaliger Ehemann, der Regisseur Roger Vadim.
Die Stammgäste dieses Ortes, Tropéziens, die hier seit Jahrzehnten ihre Toten besuchen, begegnen der neuen Aufmerksamkeit mit einer Haltung, die irgendwo zwischen Gelassenheit und stillem Pragmatismus liegt. Ja, sagen sie, es könnten mehr Besucher kommen. Ja, vielleicht werde man in Zukunft fremde Sprachen hören, Kameras sehen, Blumen, die niemandem hier persönlich gehören. Aber nein, Panik verspüre niemand.
„Ça sera peut-être un lieu de pèlerinage“, heißt es mit einem Achselzucken. Vielleicht. Kein religiöser Wallfahrtsort, versteht sich, sondern ein symbolischer. Einer für Bewunderer, Nostalgiker, Menschen, die mit Bardots Filmen, ihrer Provokation, ihrem Rückzug, ihrem Tierschutz aufgewachsen sind.
Saint-Tropez kennt das Spiel mit der Öffentlichkeit. Das ehemalige Fischerdorf hat gelernt, Besucher zu empfangen, ohne sich selbst ganz zu verlieren. Seit Bardot mit Et Dieu… créa la femme die Leinwände eroberte, gehört der Ort zur globalen Vorstellungswelt von Freiheit, Sonne, Aufbruch. Bardot machte Saint-Tropez berühmt – und Saint-Tropez Bardot unsterblich.
Gerade deshalb wirkt der Ton der Einheimischen bemerkenswert nüchtern. Niemand fordert Absperrungen. Niemand spricht von Verboten. Man appelliert an etwas Altmodisches: Anstand. Respekt. Das Wissen, dass ein Friedhof kein Selfie-Hintergrund ist, sondern ein Raum der Stille.
Ein älterer Besucher, der regelmäßig das Grab seiner Frau pflegt, bringt es so auf den Punkt: „Wenn sie kommen, sollen sie kommen wie Gäste, nicht wie Konsumenten.“ Ein Satz, der hängen bleibt, weil er mehr über das Verhältnis der Tropéziens zu ihrem Ort verrät als jede Verordnung.
Natürlich gibt es auch leise Sorgen. Die Angst vor Reisebussen, vor zu viel Neugier, vor Menschen, die den Tod als Event betrachten. Doch diese Sorgen werden nicht dramatisiert. Vielleicht, weil man weiß, dass Kontrolle in Saint-Tropez immer relativ war. Vielleicht auch, weil Bardot selbst ein Leben lang zwischen Öffentlichkeit und Rückzug balancierte.
Der Friedhof, so betonen viele, müsse kein Museum werden. Er dürfe es nicht. Seine Würde liege gerade in seiner Normalität. In den schlichten Gräbern, im Blick aufs Meer, im Wind, der durch die Pinien zieht. Wer hierher komme, müsse sich diesem Rhythmus anpassen, nicht umgekehrt.
Interessant ist, wie sehr diese Haltung von einer stillen lokalen Identität getragen wird. Saint-Tropez sieht sich nicht als Kulisse, sondern als Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die gelernt hat, mit Projektionen von außen zu leben, ohne sich ihnen völlig zu unterwerfen. Bardot gehört dazu, aber sie überragt nicht alles.
Dass die Debatte hier leiser geführt wird als anderswo, überrascht. National und international mischten sich nach Bardots Tod rasch Würdigungen, alte Kontroversen, politische Zuschreibungen. Am Seefriedhof in Saint-Tropez dagegen herrscht ein fast altmodischer Humanismus. Man spricht über den Tod, nicht über das Denkmal. Über Erinnerung, nicht über Deutungshoheit.
Vielleicht liegt darin die eigentliche Stärke dieses Ortes. Der Cimetière marin bleibt, was er immer war: ein Platz für die Toten und für die Lebenden, die ihrer gedenken. Dass darunter nun auch Fans aus Japan, Brasilien oder Deutschland sein werden, erscheint den Einheimischen weniger bedrohlich als erwartet.
„Solange sie leise sind“, sagt jemand und lächelt. Ein Satz wie eine Regel, die nie aufgeschrieben werden muss.
Am Ende zeigt sich hier etwas zutiefst Mediterranes: die Fähigkeit, Nähe zuzulassen, ohne sich zu verlieren. Der Friedhof wird sich verändern, ein wenig. Mehr Blumen vielleicht, mehr Schritte auf dem Kies. Doch sein Charakter, davon sind viele überzeugt, bleibt bestehen.
Zwischen Meer und Erinnerung, zwischen Berühmtheit und Alltäglichkeit. Genau dort, wo Brigitte Bardot ihr Leben lang stand.
Von C. Hatty
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