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Der europäische Flugzeughersteller und die französische Fluggesellschaft stehen ab Montag in Paris wegen „fahrlässiger Tötung“ vor Gericht. Der Prozess soll bis Dezember dauern.

Es war die tödlichste Katastrophe in der Geschichte von Air France. Mehr als 13 Jahre nach dem Absturz über dem Atlantik des Fluges AF447 Rio-Paris, bei dem am 1. Juni 2009 228 Menschen ums Leben kamen, beginnt am Montag, dem 10. Oktober in Paris. Die Richter müssen die Verantwortung von Airbus und Air France untersuchen, die natürlich jegliche strafrechtliche Schuld bestreiten.

Was wird Airbus und Air France vorgeworfen?
Die beiden Unternehmen, denen eine Geldstrafe von 225.000 Euro droht, werden wegen „fahrlässiger Tötung“ vor Gericht gestellt. Die Ermittlungen ergaben, dass die Piloten, die in ein Gewitter geraten waren, durch die Vereisung der Pitot-Geschwindigkeitssonden die Orientierung verloren hatten. Sie konnten den Strömungsabriss des Flugzeugs nicht verhindern, wie dieses Video beweist:

Nach Abschluss der Ermittlungen kam die Justiz zu dem Schluss, dass gegen Air France genügend Anklagepunkte vorlagen, weil sie „es unterlassen hatte, eine angemessene Ausbildung durchzuführen“ und „die Besatzungen zu informieren, was angesichts einer Vereisung der Sonden zu tun erforderlich gewesen wäre“. Dieses Versäumnis habe „die Piloten daran gehindert, angemessen zu reagieren“. Das Unternehmen bestreitet diese Schlussfolgerung und will auf Freispruch plädieren, da es seiner Meinung nach „kein strafrechtliches Vergehen begangen hat, das zu dem Unfall geführt hätte“.

Airbus auf der anderen Seite ist angeklagt, weil es „die Schwere der Sondenausfälle unterschätzt“ habe. Vorfälle mit Pitot-Sonden hatten sich bereits in den Monaten vor dem Unfall gehäuft. Der Flugzeughersteller soll „nicht alle notwendigen Vorkehrungen getroffen haben, um die Besatzungen der Betreibergesellschaften umgehend zu informieren und zu ihrer wirksamen Schulung beizutragen“. Auch Airbus bestreitet jegliches strafrechtliches Fehlverhalten.

Warum kommt dieser Prozess so spät?
Dieser Termin vor den Richtern ist der Höhepunkt eines langen technischen und juristischen Prozesses. Zwar wurden die ersten Trümmerteile sowie Leichen gleich in den Tagen nach dem Absturz gefunden, doch das Wrack wurde erst zwei Jahre später, im April 2011, in 3.900 m Tiefe, umgeben von hohen Unterwasserreliefs, lokalisiert. „Zwei Jahre des Wartens, mit vielen Wendungen, bösen Überraschungen und schlechten Informationen“, erinnert sich Corinne Soulas, die Mutter einer vermissten Passagierin, deren Leiche nie gefunden wurde.

Erst in einer vierten Suchphase konnten die Flugschreiber geborgen werden, die das Problem der Vereisung der Geschwindigkeitssonden bestätigten. Nach einer Reihe von Gutachten stellten die Untersuchungsrichter das Verfahren am 29. August 2019 zunächst ein. Daraufhin legten die Angehörigen der Opfer und die Pilotengewerkschaften ebenso wie die Staatsanwaltschaft Berufung ein.

Am 12. Mai 2021 verkündete die Ermittlungskammer schließlich die Anklage der beiden Unternehmen vor einem Strafgericht.

„Wir erwarten einen unparteiischen, beispielhaften Prozess, damit so etwas nie wieder passiert und die beiden Angeklagten durch diesen Prozess die Flugsicherheit in den Mittelpunkt stellen und nicht nur die Rentabilität“, sagt Danièle Lamy, Vertreter der Nebenkläger.

An Bord des Flugzeugs befanden sich insgesamt 216 Passagiere und 12 Besatzungsmitglieder aus 33 verschiedenen Nationen, darunter 72 Franzosen. Zu dem jetzt beginnenden Prozess haben sich 476 Angehörige als Nebenkläger gemeldet.


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