Tag & Nacht




In Paris brodelt es mal wieder – nicht wegen der Hitze, sondern wegen der Wut auf vier Rädern.

Die französischen Taxi-Gewerkschaften drohen mit einem Schritt, der selbst für streikerprobte Verhältnisse im Land ungewöhnlich drastisch ist: Der komplette Stillstand an den Flughäfen Charles-de-Gaulle und Orly.

Und das ausgerechnet zu Beginn der Sommersaison.

Ein Rollfeld wird zur Frontlinie

Die Flughäfen der französischen Hauptstadt sind nicht nur Drehkreuze des internationalen Verkehrs, sie sind Symbole. Wer sie blockiert, der trifft nicht nur Reisende – sondern direkt das Image eines Landes.

Der Zorn der Taxi-Fahrer entzündet sich an einer Reform, die auf den ersten Blick wie eine technokratische Maßnahme im Gesundheitswesen wirkt. Doch in Wahrheit geht es ums Überleben.

Worum genau geht es?

Um Krankentransporte. Genauer: Um die Reform ihrer Vergütung. Die französische Regierung hat beschlossen, die Kosten in diesem Bereich zu senken – 2024 lagen sie bei über drei Milliarden Euro. Künftig sollen verstärkt spezielle Krankentransportdienste zum Einsatz kommen, sogenannte „véhicules sanitaires légers“. Taxis hingegen verlieren damit einen Großteil eines lukrativen Geschäftsfelds.

Vor allem auf dem Land fahren Taxis regelmäßig Patientinnen und Patienten zu Arztterminen. Mancher Betrieb macht damit über die Hälfte seines Umsatzes.

Die neue Abrechnung: weniger pauschal, mehr nach Einzelfall. Für viele Fahrer ist das keine Reform – sondern ein Schlag in die Magengrube.

Der Ton wird rauer.

Beim letzten Treffen mit Regierungsvertretern – am 24. Juni – fühlten sich die Taxi-Verbände wie Statisten in einem schlechten Theaterstück. Rachid Boudjema, Präsident der Union Nationale des Taxis, bringt es auf den Punkt: „Kein Wort zu konkreten Zahlen.“

Das Misstrauen sitzt tief. Und der Frust wächst.

Békir Békir, ein lautstarker Kopf der Bewegung, kündigte daraufhin neue Aktionen an. Die Flughäfen sollen das nächste Ziel sein. Ein Datum? Noch offen – aber man spricht von „den nächsten Tagen“.

Frankreich kennt diese Bilder: Taxi-Kolonnen, die Rollfelder blockieren, Autobahnzufahrten dichtmachen, Rauchfackeln in der Hand der Fahrer. Diese Protestform hat eine doppelte Wirkung: Sie ist sichtbar – und spürbar.

Reisende stehen im Stau. Medien berichten live. Die Politik gerät unter Zugzwang.

Doch der Effekt ist nicht nur positiv. Viele erinnern sich an gewaltsame Szenen früherer Streiks. Bei aller Sympathie für die Anliegen der Fahrer – nicht jeder Passagier verzeiht es, wenn er seinen Flieger verpasst.

Selbst innerhalb der Taxi-Gewerkschaften gibt es kritische Stimmen. Einige kleinere Verbände raten zur Mäßigung. Die Angst: ein Image als unberechenbare Wutbürger, das langfristig mehr schadet als nützt.

Ein Verkehrschaos durch Taxi-Blockaden ist nicht nur ein logistisches Problem, sondern ein politischer Super-GAU. Deshalb steht auch die Regierung mit dem Rücken zur Wand.

Sie muss sparen – aber sie darf sich keine Eskalation leisten. Die Taxifahrer wissen das.

Sie sind organisiert, kampferprobt – und sie haben Erfahrung im politischen Spiel. Der Druck, den sie aufbauen, zielt nicht nur auf die Reform. Sondern auch auf die öffentliche Wahrnehmung.

Denn wer heute den Verkehr lahmlegt, zwingt morgen die Minister an den Tisch.

Kommt es zur Blockade? Oder kommt Bewegung in die Verhandlungen? Die Antwort hängt von einem einzigen Faktor ab: Ob die Regierung bereit ist, konkreter zu werden. Zahlen auf den Tisch zu legen. Und Vertrauen zurückzugewinnen.

Denn eines ist sicher: Wenn Paris im Sommer ohnehin schon am Limit läuft, braucht es keine Taxis, die das Fass zum Überlaufen bringen.

Autor: Andreas M. Brucker

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