Ein Jahr vor den Zwischenwahlen in den USA verschärft Präsident Donald Trump seine Bemühungen, das politische Spielfeld zugunsten der Republikaner neu zu vermessen. Im Zentrum seiner Strategie stehen zwei altbekannte, aber nun systematisch verbunden eingesetzte Instrumente: das Redistricting – also die Neuziehung der Wahlkreise – sowie eine politische Kampagne gegen die Briefwahl. Beide Maßnahmen zielen darauf, strukturelle Mehrheiten im Kongress zu sichern und die Macht über die demokratischen Abläufe zugunsten der eigenen Anhängerschaft zu verschieben.
Wahlkreise als Machtinstrument
Die kartografische Neuordnung der politischen Landschaft gehört in den Vereinigten Staaten zum festen Bestandteil des föderalen Systems. Sie folgt dem Zehnjahresrhythmus des Zensus und dient offiziell der Anpassung des Repräsentantenhauses an demographische Veränderungen. In der Praxis ist daraus jedoch ein parteipolitisches Instrument geworden, dessen taktischer Einsatz mittlerweile weit über den ursprünglich vorgesehenen Rahmen hinausgeht. Einzelne Bundesstaaten betreiben das sogenannte Mid-Decade-Redistricting – also die außerplanmäßige Neuzuordnung von Wahlkreisen, häufig mit dem Ziel, die politische Macht der jeweils regierenden Partei zu festigen.
In republikanisch regierten Staaten wie Texas wurde unlängst eine neue Wahlkarte verabschiedet, die darauf abzielt, die demokratische Opposition gezielt zu schwächen. Dazu zählen unter anderem die Auflösung urbaner Wahlbezirke mit hoher demokratischer Wählerschaft sowie die Neuverteilung von Minderheitenstimmen auf mehrere Distrikte, um deren Einfluss zu verringern. Die republikanische Mehrheit begründet diese Maßnahmen mit Effizienz und demografischer Repräsentation, während Kritiker von einer systematischen Verzerrung des Wählerwillens sprechen. Dass sich auch von den Demokraten geführte Bundesstaaten inzwischen dieser Logik bedienen, zeigt die politische Normalisierung eines einst umstrittenen Mittels.
Angriff auf die Briefwahl
Parallel zur Neuordnung der Wahlkreise richtet sich Trumps Rhetorik erneut gegen die Briefwahl, die er bereits nach seiner Niederlage 2020 als Einfallstor für Wahlbetrug dargestellt hatte – ohne je Belege dafür zu liefern. Die Briefwahl erfreut sich bei bestimmten Wählergruppen großer Beliebtheit, insbesondere bei demokratisch orientierten Menschen sowie älteren und urbanen Wählerschichten. Ihre Bedeutung hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht: Bei den Präsidentschaftswahlen 2024 nutzte etwa ein Drittel der Wählerschaft diese Möglichkeit.
Trump hat nun angekündigt, die Briefwahl per Dekret abschaffen zu wollen. Zwar liegen dem keine klaren legislativen Grundlagen zugrunde, doch die Ankündigung genügt, um Misstrauen zu säen und politisches Momentum zu erzeugen. In der Realität unterliegt das Wahlrecht weitgehend der Hoheit der Bundesstaaten – ein flächendeckendes Verbot der Briefwahl wäre juristisch kaum haltbar. Doch das Narrativ bleibt wirkungsmächtig. In mehreren republikanischen Staaten wurden seit 2021 bereits restriktive Maßnahmen gegen die Briefwahl erlassen, etwa durch verkürzte Fristen, zusätzliche Identifikationspflichten oder die Einschränkung von Abgabestellen.
Der Trumpismus als Systemfrage
Diese Entwicklungen sind Ausdruck eines umfassenderen Machtanspruchs. Donald Trump versucht nicht nur, die institutionellen Bedingungen künftiger Wahlen zu seinen Gunsten zu beeinflussen, sondern auch die politische Kultur der Vereinigten Staaten nachhaltig zu verändern. Die gezielte Auswahl loyaler Kandidaten, die Umgestaltung des republikanischen Apparats und juristische Vorstöße gegen demokratische Organisationen zeugen von einer zentralistischen Strategie, die auf Kontrolle und Disziplinierung setzt.
Begleitet wird diese strukturelle Offensive von einer diskursiven Aushöhlung demokratischer Selbstverständlichkeiten. Wenn Wahlergebnisse nicht mehr als Resultat eines gemeinsamen Regelwerks verstanden werden, sondern als manipulierbare Größe im parteipolitischen Wettbewerb erscheinen, geraten die Grundlagen demokratischer Legitimität ins Wanken. Der Zweifel wird zur politischen Ressource, die Mobilisierung geschieht nicht trotz, sondern gerade wegen des Misstrauens in das System.
Die republikanische Führung unter Trump verfolgt damit eine doppelte Strategie: Einerseits wird der institutionelle Rahmen künftiger Wahlen gezielt verändert, andererseits wird die Vorstellung gestärkt, das bestehende System sei strukturell gegen die eigene Bewegung gerichtet. Diese Dynamik erhöht nicht nur den Druck auf demokratische Institutionen, sondern rückt auch die Midterms 2026 ins Zentrum eines umfassenden Machtkampfs um die amerikanische Demokratie.
Autor: Andreas M. Brucker
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