In der Nacht vom 16. auf den 17. April wurde Frankreich erneut von einer Serie gezielter Angriffe erschüttert – mit einem klaren Fokus: die Justizvollzugsanstalten des Landes. Mehrere Haftanstalten wurden Opfer von Brandstiftungen, Einschüchterungsversuchen und sogar Angriffen mit automatischen Waffen. Im Zentrum dieser Vorfälle steht ein neuer, radikaler Akteur: die Gruppe „Défense des droits des prisonniers français“ – kurz DDPF.
Eine orchestrierte Gewaltserie
Was wie vereinzelte Zwischenfälle wirken könnte, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als beunruhigend gut koordinierte Aktion. Mindestens elf Gefängnisse wurden seit dem 13. April ins Visier genommen. Besonders drastisch: der Angriff auf die Haftanstalt Toulon-La Farlède, bei dem mit automatischen Waffen auf das Eingangsportal und die Fassade geschossen wurde.
Ebenfalls erschreckend: In Villepinte, Nanterre, Aix-en-Provence, Valence und Tarascon brannten die Autos mehrerer Justizbeamter. Auf den Tatorten tauchten immer wieder dieselben Buchstaben auf – DDPF.
Wer steckt hinter DDPF?
Die Gruppe ist kaum älter als ein paar Tage. Gegründet wurde sie am 12. April auf Telegram – einem Kanal, der in den letzten Jahren immer mehr zum Sammelbecken für radikale Gruppierungen wurde. Offiziell gibt sich die Bewegung kämpferisch für die Rechte von Gefangenen, kritisiert lautstark Missstände in den Haftanstalten und prangert Übergriffe durch das Wachpersonal an.
Doch die Rhetorik ist eine tickende Zeitbombe. Zwischen Appellen an die Menschlichkeit und aufgeladenen Kampfansagen gegen das System verschwimmen die Grenzen. Der Ton ist bedrohlich, die Wortwahl martialisch. Gewaltaufrufe inklusive. Und während man sich selbst das Label „Verteidiger der Menschenrechte“ verpasst, wirken die Mittel, mit denen die Gruppe agiert, eher wie aus dem Repertoire einer paramilitärischen Organisation.
Staat reagiert mit harter Hand
Frankreichs Justizminister Gérald Darmanin hat bereits die Alarmstufe Rot ausgerufen. Für ihn sind die Taten nichts weniger als ein Frontalangriff auf die Republik. Die Reaktion: verschärfte Sicherheitsvorkehrungen rund um alle Haftanstalten – und eine klare Botschaft, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Ermittlungen hat das Pariser Parquet National Antiterroriste übernommen – unterstützt von der Generaldirektion für Innere Sicherheit (DGSI). Das Ziel: die Strukturen, Kommunikationswege und Hintermänner der DDPF offenzulegen.
Ein Brennglas auf die Probleme im Gefängnissystem
So entsetzlich diese Nacht auch war – sie zeigt ungeschönt, was im französischen Gefängnissystem seit Jahren brodelt. Überfüllte Zellen, marode Bauten, überlastetes Personal und eine angespannte Beziehung zwischen Insassen und Aufsehern. Die Vorfälle machen deutlich, dass Reformbedarf nicht nur diskutiert, sondern endlich angepackt werden muss.
Die Sicherheitslage eskaliert, wenn Frustration und Perspektivlosigkeit in Gewalt umschlagen – von innen wie von außen. Dass Gruppen wie die DDPF genau hier ansetzen, überrascht kaum. Aber wann wird das System endlich daraus lernen?
Ein gefährlicher Präzedenzfall
Wenn selbst Haftanstalten, Sinnbild für Kontrolle und Ordnung, Ziel bewaffneter Angriffe werden – was sagt das über den Zustand unserer Gesellschaft aus? Wer schützt die, die in diesen Institutionen arbeiten, Tag für Tag, unter hohem Druck?
Was wir hier erleben, ist mehr als nur ein Sicherheitsproblem. Es ist ein Weckruf. Für Justiz, Politik – und für die Gesellschaft.
Denn eines ist sicher: Wenn Gewalt zum Sprachrohr wird, ist der Dialog längst gescheitert.
Von Andreas M. Brucker
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