Mitten in der Nacht, als er gerade auf dem Heimweg war, wurde ein Gendarm in ziviler Kleidung in Aix-en-Provence zur Zielscheibe einer brutalen Attacke. Neun Schüsse – abgefeuert mit einer Waffe militärischen Kalibers – trafen den Mann, der schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht wurde. Ein neuer Höhepunkt in einer besorgniserregenden Welle der Gewalt gegen Sicherheitskräfte in Frankreich.
Der Vorfall ereignete sich in den frühen Stunden des 10. Mai 2025. Um ein Uhr morgens fielen die Schüsse – laut Ermittlungen wurde eine Waffe des Kalibers 7,62 mm benutzt, wie sie bei Militär- oder Spezialeinheiten zum Einsatz kommt. Laut dem Staatsanwalt von Aix-en-Provence handelt es sich dabei um ein Modell, das unter normalen Umständen nicht in den Händen von Zivilisten zu finden ist.
Der Gendarm – ein erfahrener Beamter – war nicht im Dienst, sondern in ziviler Kleidung unterwegs. Ein Umstand, der die Frage aufwirft, ob der Täter ihn gezielt beschoss oder ob es sich um eine Art Zufallsopfer handelte. Die Verletzungen des Mannes sind schwer. Neun Einschüsse – unter anderem in den Fuß und in die Nähe der Wirbelsäule. Zwar bestand zum Zeitpunkt seines Transports ins Krankenhaus keine akute Lebensgefahr – aber die Ärzte warnen: sein Zustand kann sich jederzeit verschlechtern.
Wer hat ihn ins Visier genommen – und warum?
Was zunächst wie ein gezielter Mordversuch wirkt, könnte Teil eines größeren Plans sein. Die Polizei war bereits kurz vor Mitternacht wegen eines anderen Vorfalls in Alarmbereitschaft: Mehrere maskierte Männer mit einer Langwaffe waren in einem schwarzen Transporter gesehen worden. Sie entzogen sich einer Kontrolle der Beamten. Ob es sich bei ihnen um dieselben Personen handelt, die später auf den Gendarmen geschossen haben, ist noch nicht geklärt – der zeitliche Zusammenhang ist jedoch auffällig.
Die zuständige Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung wegen versuchten Mordes in organisierter Bande eingeleitet. Ein Signal dafür, dass man nicht von einem zufälligen Zwischenfall, sondern von einer geplanten Tat ausgeht.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten.
Stéphane Le Rudulier, Senator der Bouches-du-Rhône (Les Républicains), meldete sich noch in der Nacht zu Wort. Auf der Plattform X (ehemals Twitter) verurteilte er die Tat scharf. Die regelmäßigen Angriffe auf Polizei- und Gendarmeriebeamte seien „inakzeptabel“. Besonders hob er die Rolle bestimmter Gruppierungen hervor, die durch Parolen wie „Ein guter Polizist ist ein toter Polizist“ das gesellschaftliche Klima vergiften würden. Für ihn steht fest: Die Verantwortung liege nicht nur bei den Tätern – sondern auch bei jenen, die durch Hass und Hetze das Vertrauen in den Rechtsstaat untergraben.
Ein Punkt, der nicht ganz von der Hand zu weisen ist.
Die Zahl der Übergriffe auf Sicherheitskräfte hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Besonders in Großstädten und sozial angespannten Vierteln kommt es immer wieder zu Konfrontationen – nicht selten eskalieren diese in Gewalt. Doch ein gezielter Mordversuch mit einer Kriegswaffe? Das ist eine neue Eskalationsstufe.
Frankreich steht vor einem sicherheitspolitischen Dilemma: Die Polizei soll deeskalieren und Vertrauen aufbauen – doch sie sieht sich zugleich zunehmend selbst bedroht. Die Täter scheinen keine Scheu mehr zu haben, selbst Beamte im privaten Umfeld ins Visier zu nehmen.
Es stellt sich die Frage: Wohin führt diese Spirale?
Die laufenden Ermittlungen werden zeigen müssen, ob der Anschlag Teil eines organisierten Netzwerks ist – vielleicht sogar mit Verbindungen zum organisierten Verbrechen oder extremistischen Gruppierungen. Auch die Rolle der zuvor gesichteten Männer im Transporter wird zu untersuchen sein.
Eines ist jedoch schon jetzt klar: Dieser Angriff wird politische und gesellschaftliche Debatten weiter anheizen – über Sicherheit, über Respekt gegenüber Ordnungskräften und über die Grenzen des zivilen Zusammenlebens in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft.
Daniel Ivers
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