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Antisemitismus, ein Phänomen, das tief in der Geschichte Europas verwurzelt ist, erlebt seit wenigen Jahren ein beunruhigendes Comeback. In Frankreich und Deutschland, zwei Länder mit dunkler Vergangenheit in Bezug auf Judenhass, wächst die Sorge, dass die Geister der Vergangenheit nicht zur Ruhe gekommen sind. Aber wie konnte es soweit kommen? Was treibt diesen Hass an, der doch längst überwunden geglaubt wurde?

Ein Blick auf die Wurzeln des Übels

Antisemitismus ist kein neues Phänomen. Schon im Mittelalter wurden Juden in Europa als Sündenböcke für Seuchen, wirtschaftliche Krisen und soziale Unruhen missbraucht. Die Idee einer „jüdischen Verschwörung“, die die Welt kontrolliere, wurde genährt – bis hin zur mörderischen Obsession im Nationalsozialismus, die in der Shoah, dem Holocaust, gipfelte.

Aber Antisemitismus hat sich weiterentwickelt. Im 21. Jahrhundert hat er viele Gesichter. Da gibt es den klassischen rechten Antisemitismus, der auf rassistischen und nationalistischen Ideologien fußt, und den modernen linken Antisemitismus, der häufig mit Israelkritik einhergeht und dabei oft antisemitische Stereotype bedient. Zudem hat der importierte Antisemitismus, der von radikalen islamistischen Strömungen getragen wird, an Einfluss gewonnen – vor allem in Ländern mit großen muslimischen Gemeinschaften.

Die Lage in Frankreich: Ein Pulverfass?

Frankreich ist in Europa eines der Länder mit der größten jüdischen Gemeinschaft. Doch gerade hier hat Antisemitismus in den letzten Jahren bedenkliche Ausmaße angenommen. Angriffe auf jüdische Menschen, Synagogen und Geschäfte sind keine Seltenheit. Der Mord an Sarah Halimi im Jahr 2017 oder der Anschlag auf die Schule in Toulouse 2012 sind nur einige der tragischen Beispiele. Diese Taten rütteln an den Grundfesten der französischen Gesellschaft und werfen die Frage auf: Warum geschieht das immer wieder?

In Frankreich sind es vor allem zwei Quellen des Antisemitismus, die herausstechen: Zum einen der klassische, rechtsextreme Antisemitismus, vertreten durch Parteien wie das Rassemblement National, und zum anderen ein wachsender Antisemitismus innerhalb der muslimischen Bevölkerung, der häufig durch den Nahostkonflikt befeuert wird. Diese zwei Strömungen scheinen auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam zu haben, doch sie nähren sich beide aus dem gleichen Hass – und finden in der Ablehnung des Judentums eine gemeinsame Grundlage.

Die Regierung hat immer wieder versucht, durch Gesetze und Maßnahmen gegenzusteuern. Doch Antisemitismus lässt sich nicht so einfach mit einer Gesetzesänderung aus der Welt schaffen. Es braucht einen kulturellen Wandel, eine Rückbesinnung auf die Werte der Aufklärung und der Toleranz, die Frankreich einst groß gemacht haben. Doch wie erreicht man das in einem Land, das in vieler Hinsicht gespalten ist?

Deutschland: Eine schmerzvolle Rückkehr der Dämonen

Auf Deutschland lastet eine besondere historische Verantwortung. Nach dem Holocaust gelobte das Land, dass so etwas nie wieder geschehen dürfe. Doch auch hier erlebt Antisemitismus eine beunruhigende Renaissance. 2019 erschütterte der Anschlag auf die Synagoge in Halle das Land. Der Täter, ein Rechtsextremist, versuchte am höchsten jüdischen Feiertag, dem Jom Kippur, ein Massaker anzurichten. Und obwohl er sein Ziel nicht vollständig erreichte, zeigte dieser Angriff, wie tief der Antisemitismus in manchen Teilen der Gesellschaft noch immer verwurzelt ist.

Aber es sind nicht nur die Rechtsextremen, die in Deutschland für Antisemitismus verantwortlich sind. In den letzten Jahren ist auch die linke Szene ins Visier geraten, die unter dem Deckmantel der Israelkritik immer wieder antisemitische Parolen verbreitet. Hinzu kommt eine zunehmende Radikalisierung innerhalb bestimmter Migrantengruppen, vor allem durch den Einfluss radikaler Imame und antisemitische Propaganda, die über soziale Medien verbreitet wird.

In beiden Ländern – Deutschland und Frankreich – spielt das Internet eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung von antisemitischen Inhalten. Soziale Netzwerke bieten eine Plattform für Hassprediger und Verschwörungstheoretiker, die ihre Ideologien in die Welt tragen. Was früher auf dunkle Stammtisch-Ecken in Kneipen oder geheime Treffen beschränkt war, erreicht heute mit wenigen Klicks Millionen Menschen.

Die Schatten der Vergangenheit – eine Gefahr für die Zukunft?

Warum aber kehrt Antisemitismus immer wieder zurück? Eine Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt. Ein Teil des Problems liegt in der tiefen Verankerung antisemitischer Stereotype in der europäischen Kultur. Sie sind so alt, dass sie sich in den Köpfen vieler Menschen festgesetzt haben, oft ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Zudem führen wirtschaftliche Krisen, soziale Spannungen und politische Umbrüche dazu, dass Minderheiten – und dazu gehört die jüdische Gemeinschaft in vielen Ländern nach wie vor – als Sündenböcke herhalten müssen.

Aber es wäre zu einfach, die Schuld nur auf diffuse gesellschaftliche Entwicklungen zu schieben. Jeder Einzelne trägt Verantwortung. Schulen, Medien, Politiker – sie alle haben die Pflicht, wachsam zu sein und entschieden gegen jede Form von Antisemitismus vorzugehen. Denn die Vergangenheit hat gezeigt: Antisemitismus beginnt oft mit Worten, doch er endet fast immer in Gewalt.

Die Frage, die uns alle umtreiben sollte, lautet daher: Wie schaffen wir es, diesen Hass ein für alle Mal zu überwinden? Es braucht Mut, klare Worte und entschlossenes Handeln – von jedem Einzelnen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Geschichte sich wiederholt. Die Dämonen der Vergangenheit dürfen nicht die Zukunft bestimmen.

Schlussgedanken: Kein Raum für Hass

Antisemitismus ist mehr als nur ein Problem für Juden – er ist ein Problem für die gesamte Gesellschaft. Er zersetzt das Vertrauen in die Gemeinschaft, er zerstört das Zusammenleben und er gefährdet die Demokratie. Frankreich und Deutschland stehen vor einer großen Herausforderung: Sie müssen beweisen, dass sie aus der Vergangenheit gelernt haben. Es reicht nicht, den Antisemitismus nur zu verurteilen – er muss an der Wurzel gepackt und ausgerissen werden.

Denn eines ist sicher: Wenn wir jetzt nicht handeln, werden die Geister der Vergangenheit uns weiter verfolgen. Und das dürfen wir – im Namen der Menschlichkeit – nicht zulassen.

MAB

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