Tag & Nacht


Die geopolitische Lage im Asien-Pazifik-Raum spitzt sich dramatisch zu. Der jüngste diplomatische Schlagabtausch zwischen China, Japan und den USA ist mehr als nur ein weiterer Beleg für regionale Spannungen – er markiert eine Zäsur in der strategischen Ausrichtung Ostasiens. Zwei Telefonate Donald Trumps in kurzer Folge – zuerst mit Chinas Präsident Xi Jinping, dann mit Japans Premierministerin Sanae Takaichi – zeigen, dass Washingtons traditionelle Rollenfestigkeit ins Wanken gerät.

Nach Jahrzehnten klarer Frontstellungen in der Asienpolitik stehen alte Bündnisse zur Disposition. Trumps ausweichende Haltung zur Taiwan-Frage hat einen Wettstreit um amerikanischen Einfluss ausgelöst – mit potenziell weitreichenden Konsequenzen für die regionale Sicherheitsarchitektur.

Chinas Isolationsoffensive – Japans sicherheitspolitische Wende

Seit Jahren verfolgt die Volksrepublik das Ziel, Taiwan international zu isolieren. Staaten, die offizielle oder auch nur halb-offizielle Kontakte zur Inselrepublik pflegen – etwa Litauen oder die Tschechische Republik – wurden umgehend mit wirtschaftlichen Repressalien belegt. Gleichzeitig intensiviert Peking seine militärischen Aktivitäten: Regelmäßige Luft- und Seepatrouillen rund um Taiwan haben ein neues Normal geschaffen.

Vor diesem Hintergrund kam Japans abrupte sicherheitspolitische Positionierung unter Premierministerin Sanae Takaichi für viele Beobachter überraschend. Ihre Erklärung vor dem Parlament, ein Angriff Chinas auf Taiwan wäre eine Frage des „nationalen Überlebens“, markiert eine sicherheitspolitische Schwelle. Der Begriff hat verfassungsrechtliche Tragweite: Er erlaubt Tokio die Mobilisierung der Selbstverteidigungsstreitkräfte – eine hochsensible Thematik in einem Land, dessen Verfassung militärische Gewaltanwendung stark einschränkt.

China reagierte prompt und vielschichtig: Neben einem Importverbot für japanische Meeresfrüchte wurden Konzerte abgesagt, Flüge gestrichen und Reisewarnungen für chinesische Staatsbürger ausgesprochen. Auch militärisch setzte Peking Zeichen: Kriegsschiffe passierten japanische Inseln, bewaffnete Küstenwacheinheiten operierten nahe der Senkaku-Inseln, und bei den Vereinten Nationen forderte China eine offizielle Verurteilung der Äußerungen Takaichis.

Tokio zeigte sich unbeeindruckt. Japans Verteidigungsminister bekräftigte bei einem Besuch auf der Insel Yonaguni – nur 110 Kilometer von Taiwan entfernt – die geplante Stationierung von Flugabwehrraketen. Diese reichen zwar nicht bis zur taiwanischen Küste, verdeutlichen jedoch Japans Bereitschaft, seine südlichsten Territorien zu sichern. Nur zwei Tage später stiegen japanische Abfangjäger auf, nachdem eine mutmaßlich chinesische Drohne nahe Yonaguni gesichtet wurde.

Trumps Ambivalenz als strategischer Hebel

Der US-Präsident hat sich bislang bewusst nicht festgelegt, ob er an der jahrzehntelangen amerikanischen Taiwan-Politik festhält. Diese Ambivalenz öffnet Raum für Einflussnahme – und beide asiatischen Mächte nutzen ihn. Japan, traditionell engster Verbündeter der USA in der Region, sucht Rückendeckung für seine härtere Haltung gegenüber Peking. China wiederum hofft, Trumps Bereitschaft zu taktischer Neuorientierung für sich zu nutzen.

Dabei stellt sich eine grundsätzliche Frage: Wie verbindlich sind Amerikas Sicherheitsgarantien noch, wenn die politische Führung taktische Flexibilität über strategische Verlässlichkeit stellt? Die Ungewissheit über Washingtons Haltung verleiht Pekings diplomatischem Vorstoß zusätzliches Gewicht.

Der historische Diskurs als geopolitisches Instrument

Bemerkenswert ist der narrative Wechsel, den Xi Jinping in der Taiwan-Frage vollzieht. Statt als revisionistische Macht aufzutreten, positioniert sich China nun rhetorisch als Hüter der Nachkriegsordnung – und stellt Taiwan und dessen Unterstützer als Destabilisatoren dar. Im Gespräch mit Trump berief sich Xi ausdrücklich auf die gemeinsame Geschichte im Kampf gegen Faschismus und Militarismus während des Zweiten Weltkriegs. Die Implikation: Die USA sollten heute mit China kooperieren, um die „Errungenschaften des Sieges“ zu wahren.

Diese Umdeutung des historischen Narrativs ist kein Zufall. Bei einer Militärparade im September in Peking ließ Xi die Führer Russlands und Nordkoreas auftreten – Länder, die neben China über Atomwaffen verfügen. Ihnen gegenüber standen – implizit – die atomwaffenfreien Staaten Japan, Südkorea und Taiwan, die sich unter den nuklearen Schutzschirm der USA stellen. Das Bild war unmissverständlich: eine neue Achse der Nuklearmächte im Osten, vereint gegen ein amerikanisches Bündnissystem, dessen Stabilität zunehmend hinterfragt wird.

China versucht, die Rolle des Verteidigers einer internationalen Ordnung zu beanspruchen, deren Architektur es bislang als westlich dominiert kritisierte. Die USA wiederum müssen entscheiden, ob sie diesen Deutungswandel zulassen – oder ihre traditionelle Rolle als Garant der pazifischen Sicherheitsordnung behaupten wollen.

Trump kündigte unterdessen lediglich an, im April nach Peking zu reisen. Bis dahin bleibt vieles offen – nicht zuletzt die Frage, ob in Ostasien eine neue Ära sicherheitspolitischer Realität beginnt.


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