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Kaum war der EPR-Reaktor in Flamanville nach 12 Jahren Verzögerung endlich in Betrieb gegangen, stoppte er automatisch. Was ist passiert, und warum gab es diese plötzliche Unterbrechung? Es sieht danach aus, als hätte eine fehlerhafte Konfiguration den automatischen Stopp ausgelöst – eine der letzten Hürden auf dem Weg zur vollständigen Inbetriebnahme.

Erklärung: Der EPR ist eine Baureihe von Kernkraftwerken mit Druckwasserreaktoren, die von den französischen Unternehmen Framatome und Électricité de France sowie dem deutschen Unternehmen Siemens entwickelt wurde.

Ein langer Weg zur ersten Stromerzeugung

Nach Jahren der Bauverzögerungen und explodierenden Kosten feierte der EPR-Reaktor in Flamanville am Dienstag endlich seine erste nukleare Reaktion. Doch keine 24 Stunden später folgte der Rückschlag: Der Reaktor schaltete sich automatisch ab. Ein Szenario, das bei einem so komplexen Verfahren durchaus vorkommen kann, wie die Betreibergesellschaft EDF betont.

Ein Sprecher von EDF erklärte, dass die Systeme wie vorgesehen reagiert hätten und der Stopp nicht auf ein Sicherheitsproblem, sondern auf eine Fehlkonfiguration zurückzuführen sei. Diese Art von technischen Hürden sei keine Seltenheit, vor allem bei der Inbetriebnahme neuer Reaktortypen.

Komplexe Inbetriebnahmeprozesse – Geduld ist gefragt

Die Inbetriebnahme eines Atomreaktors ist keine simple Angelegenheit. Experten wie Nicolas Goldberg von Colombus Consulting weisen darauf hin, dass bei derart komplexen Projekten technische Schwierigkeiten fast unvermeidlich sind. Er erinnert an ähnliche Probleme beim EPR-Reaktor in Finnland, wo hydraulische Pumpen ausgetauscht werden mussten.

Das Starten eines Reaktors sei eben eine Geduldsprobe. Die gute Nachricht? Diese automatischen Stopps zeigen, dass die Sicherheitsmechanismen funktionieren – so wie es sein soll. Ein Reaktor wird lieber einmal zu viel gestoppt, als ein Risiko einzugehen. Das System habe also seinen Job gemacht.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Die Inbetriebnahme des Reaktors erfolgt stufenweise – und genau das ist der Knackpunkt. Obwohl der Reaktor theoretisch läuft, sind noch viele Tests und Kalibrierungen nötig, bevor er seine volle Leistung erbringen kann. Die Teams der EDF führen derzeit technische Überprüfungen und Analysen durch, um den genauen Grund des Stopps zu ermitteln und sicherzustellen, dass alles für den nächsten Versuch bereit ist.

Es geht darum, den Reaktor nach und nach auf volle Leistung zu bringen. Die erste Etappe ist die sogenannte „Divergenz“, also das Einsetzen der nuklearen Kettenreaktion. Ist dieser Schritt abgeschlossen, soll der Reaktor bis Ende des Herbsts etwa 25 % seiner vollen Leistung erreichen und dann an das Stromnetz angeschlossen werden.

Das Ziel: Strom für 3 Millionen Haushalte

Letztlich wird der Reaktor mit seiner beeindruckenden Leistung von 1.600 MW genug Strom erzeugen, um rund drei Millionen Haushalte mit Energie zu versorgen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, vor allem nach einem Bauprojekt, das ursprünglich 3,3 Milliarden Euro kosten sollte, aber mittlerweile die 13-Milliarden-Euro-Marke überschritten hat. Was für ein Unterschied!

EPR-Reaktoren, wie der in Flamanville, gelten als der nächste große Schritt in der Atomtechnologie. Sie verwenden druckwassergestützte Technologien, die effizienter und sicherer sein sollen als frühere Reaktortypen. Flamanville wird der vierte EPR-Reaktor weltweit und das 57. Atomkraftwerk in Frankreich sein – und gleichzeitig das leistungsstärkste. Doch diese Innovation kommt mit ihrem eigenen Set an Herausforderungen.

Komplexität als Herausforderung und Chance

Wie bei vielen High-Tech-Projekten zeigt auch der Flamanville-Reaktor, dass Innovation nicht immer auf Anhieb perfekt funktioniert. Selbst die besten Ingenieurteams können nicht jede Eventualität im Vorfeld vorhersehen. Ein Projekt dieser Größenordnung ist ein ständiger Lernprozess.

Doch genau darin liegt auch die Stärke solcher Vorhaben. Jedes technische Problem, das jetzt auftritt, wird analysiert, verstanden und behoben – und trägt dazu bei, zukünftige Projekte reibungsloser zu gestalten. Niemand erwartet von einem Projekt dieser Größenordnung, dass es ohne Hürden abläuft.

Geduld und Vertrauen

Natürlich fragt man sich, wie lange es noch dauern wird, bis der Reaktor seine volle Leistung erreicht und wie viele Hindernisse noch auf dem Weg liegen. Doch wenn man auf ähnliche Projekte in der Vergangenheit blickt, wird deutlich: Geduld ist die wichtigste Zutat. Es lohnt sich, auf den sicheren und reibungslosen Betrieb des EPR zu warten – schließlich geht es um die Energieversorgung von Millionen Haushalten.

Hoffen wir, dass die nächsten Schritte im Projektplan der EDF ohne weitere Verzögerungen ablaufen und der Reaktor bald zuverlässig Strom ins Netz einspeisen kann. Denn auch wenn es hier und da mal klemmt, scheint eines klar: Der EPR-Reaktor von Flamanville wird eine entscheidende Rolle in der französischen Energielandschaft spielen.


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