Ein dramatischer Zwischenfall aus dem Jahr 2021 wird nun juristisch aufgearbeitet: 17 Jäger müssen sich vor dem Gericht in Foix verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, illegal in einem Naturschutzgebiet gejagt und dabei die Bärin Caramelles getötet zu haben. Der Schütze selbst behauptet, er habe aus Notwehr gehandelt.
Eine Jagd mit fatalem Ausgang
Am 18. und 19. März 2025 stehen die Jäger vor Gericht. Der schwerste Vorwurf richtet sich gegen André R., einen 77-jährigen Jäger, der die geschützte Bärin erschossen hat. Ihm drohen bis zu drei Jahre Haft und eine Geldstrafe von 150.000 Euro.
Was geschah an jenem Novembertag? André R. hatte sich mit sechzehn weiteren Jägern zu einer Wildschweinjagd in der geschützten Mont-Valier-Region aufgemacht. Die Männer verteilten sich weitläufig in den Bergen, abseits der markierten Wege. André R., ein erfahrener Jäger seit 1965, war zum ersten Mal in diesem Gebiet unterwegs.
Plötzlich raschelte es im Unterholz. Zunächst glaubte er, einen Hund zu sehen – Fehlalarm. Doch dann tauchten zwei Bärenjunge auf, nur 30 Meter entfernt. Ihnen folgte ihre Mutter. Die Jungtiere liefen unbemerkt an ihm vorbei, doch die Bärin entdeckte ihn. Ein Blickwechsel – und der Angriff begann.
Notwehr oder Regelverstoß?
Laut André R. stürzte sich das Tier auf ihn und biss ihm in den Oberschenkel. Er feuerte einen Schuss ab, um sie abzuschrecken, doch die Bärin ließ nicht von ihm ab. Sie schleifte ihn mehrere Meter über den Waldboden, bevor er erneut schießen konnte. Dieses Mal traf er. Die Bärin stürzte den Hang hinab – und blieb regungslos liegen.
Seine Kameraden, die sich weiter unten befanden, versuchten vergeblich, ihn über Funk zu erreichen. Erst als sie den Schützen fanden, wurde ihnen das ganze Ausmaß bewusst: Die Bärin lag tot im Unterholz, André R. war schwer verletzt. Mit mehreren Knochenbrüchen und tiefen Bisswunden wurde er per Helikopter ins Krankenhaus gebracht.
Doch die juristische Aufarbeitung dieses Vorfalls geht weit über die Frage der Notwehr hinaus.
Verstöße gegen Jagdgesetze?
Der tödliche Schuss fiel mitten in der geschützten Valier-Reserve – einem Naturschutzgebiet, das bereits seit 1937 besteht. Die örtliche Jagdvereinigung argumentiert, dass die Treibjagd dort offiziell erlaubt gewesen sei. Allerdings verlangt das Gesetz, dass bei solchen Jagden ein Vertreter des Forstamts anwesend ist – an diesem Tag jedoch war keiner vor Ort.
Dazu kommt ein weiteres Problem: Die Jäger sollen unzulässige Funkfrequenzen genutzt haben, um sich abzusprechen. Ein Verstoß, der ebenfalls vor Gericht verhandelt wird.
Die Wut der Tierschutzverbände
Für Tierschutzorganisationen ist der Fall klar: Diese Jagd hätte so nie stattfinden dürfen. 18 Umweltverbände, darunter One Voice, Sea Shepherd und die Ligue de Protection des Oiseaux, treten als Nebenkläger auf.
Anwältin Andréa Rigal-Casta betont: „Niemand hätte sich gewünscht, dass der Jäger verletzt wird. Doch die Gesetze zum Schutz der Bärenpopulation wurden missachtet. Diese Tiere leben nachweislich in diesem Gebiet – die Jäger hätten das wissen müssen.“
Tatsächlich ist die Bärenpopulation in den Pyrenäen seit der Wiederansiedlung im Jahr 1996 stetig gewachsen. Heute gibt es dort 83 Tiere. Caramelles, die erschossene Bärin, wurde 1997 geboren und hatte zwei Junge, die laut dem französischen Biodiversitätsamt überlebten.
Ein emotional aufgeladener Prozess
Die Debatte reicht weit über diesen Einzelfall hinaus. Die Jagd auf Wildtiere in Schutzgebieten bleibt ein sensibles Thema – besonders, wenn es um eine geschützte Art wie den Braunbären geht.
Der Präsident des Jagdverbands der Region, Jean-Luc Fernandez, fordert eine faire Verhandlung: „Die Justiz muss den Fall mit der nötigen Objektivität betrachten und darf sich nicht von medialem Druck beeinflussen lassen. Das Leben eines Jägers ist genauso wertvoll wie das eines Bären.“
Die Verhandlung könnte ein richtungsweisendes Urteil bringen – für die Jagd, den Naturschutz und das angespannte Verhältnis zwischen Jägern und Umweltschützern.
Catherine H.
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