Tag & Nacht

Die Bretagne steht wieder einmal im Fokus extremer Wetterereignisse. Das Sturmtief Herminia hat am Wochenende den Westen Frankreichs heimgesucht und massive Regenfälle, heftige Winde und Rekordhochwasser verursacht. Besonders betroffen ist das Département Ille-et-Vilaine, das am Montag, den 27. Januar 2025, auf „Vigilance Rouge“ (rote Hochwasserwarnstufe) hochgestuft wurde. Rennes, die Hauptstadt des Départements, erlebt Hochwasserstände, die es seit über 40 Jahren nicht mehr gab.


Eine Stadt am Limit: Hochwasser in Rennes

Rennes, durchzogen von den Flüssen Ille und Vilaine, kämpft mit beispiellosen Wassermassen. „Wir haben heute Werte, die höher sind als jene von 1981, dem bisherigen Referenzjahr für Hochwasser in der Region“, erklärte die Bürgermeisterin Nathalie Appéré bei einer Pressekonferenz. Doch die Situation ist noch nicht unter Kontrolle: Weitere Regenfälle sind für die Nacht angekündigt, und der Höchststand der Flüsse wird voraussichtlich erst in den nächsten Tagen erreicht.

In einigen Vierteln der Stadt stehen die Menschen buchstäblich mit den Füßen im Wasser. Bruno Lorandel, ein Anwohner, erzählt: „Ich lebe seit 40 Jahren hier, aber so etwas habe ich noch nie gesehen.“ Sein Arbeitsplatz, ein audiovisuelles Studio, wurde überflutet, und ein Großteil des Equipments ist verloren. Er fügt hinzu: „Wir schöpfen immer noch Wasser aus den Kellern.“ Szenen wie diese sind derzeit überall in Rennes zu beobachten: Gärten, Straßen und Keller stehen unter Wasser, während Feuerwehr und Freiwillige unermüdlich arbeiten, um die schlimmsten Schäden zu begrenzen.


Notunterkünfte und Bürgerhilfe: Solidarität in der Krise

Seit Samstagabend wurden in Ille-et-Vilaine rund 400 Menschen vorsorglich evakuiert. Einige konnten inzwischen in ihre Häuser zurückkehren, während andere in Notunterkünften ausharren. In Rennes hat die Stadtverwaltung die Bürger dazu aufgerufen, sich über die Plattform „Fabrique Citoyenne“ zu registrieren, um bei der Reinigung und Wiederherstellung betroffener Häuser zu helfen. Dieser Aufruf zur „solidarischen Hilfe“ zeigt, wie Gemeinschaften in Krisenzeiten zusammenstehen können.

Aber nicht nur Rennes ist betroffen: Im benachbarten Finistère wurden 1.000 Haushalte von Stromausfällen getroffen, und zwei Menschen erlitten leichte Verletzungen.


Ein ganzes Ökosystem unter Druck: Die Auswirkungen des Dauerregens

Warum sind die Überschwemmungen so extrem? Ein Blick auf die letzten Wochen zeigt, dass die Böden der Bretagne durch vorherige Regenfälle bereits völlig gesättigt waren. Hinzu kommen die außergewöhnlich hohen Regenmengen, die Herminia mit sich brachte. Allein in den letzten 24 Stunden fielen in Rennes 50 Liter Regen – eine Wassermenge, die auf völlig durchnässte Böden traf und daher direkt in die Flüsse und Städte floss. Die Folge: Flüsse wie die Vilaine und die Seiche traten über ihre Ufer, und selbst kleinere Wasserläufe wie die Flûme verwandelten sich in reißende Ströme.

Die Situation wird zusätzlich durch die geographische Lage der Bretagne verschärft. Die Region ist von einem dichten Netz aus Flüssen und Kanälen durchzogen, die bei Starkregen schnell überlastet sind. Und dann ist da noch der Faktor Klimawandel: Extreme Wetterereignisse wie Starkregen und Stürme nehmen weltweit zu. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit speichern, was bedeutet, dass Regenfälle intensiver und langanhaltender werden. Die Bretagne erlebt diese Realität hautnah.


Der Sturm trifft auch die Küstenregionen: Chaos und Störungen

Die Auswirkungen von Herminia beschränken sich nicht nur auf die Städte und Flüsse im Landesinneren. An der Küste wurden starke Winde und eine aufgewühlte See registriert. In den Sables-d’Olonne, dem Start- und Zielhafen des berühmten Vendée Globe, wurde das Veranstaltungsgelände wegen heftiger Sturmböen geschlossen. Skipper wie Benjamin Dutreux und Clarisse Crémer mussten ihre Routen ändern und in La Rochelle Schutz suchen, da Windgeschwindigkeiten von bis zu 130 km/h gemessen wurden.

Auch der Verkehr wurde stark beeinträchtigt. Ein umgestürzter Baum legte die Zugverbindung zwischen Nantes und Angers lahm, und in Ille-et-Vilaine mussten mehrere Straßen gesperrt oder umgeleitet werden. Die Präfektur warnte bereits vor einer schwierigen Verkehrssituation in den kommenden Tagen.


Lehren aus der Katastrophe: Was muss sich ändern?

Die Überschwemmungen in Rennes und Ille-et-Vilaine sind ein alarmierendes Beispiel dafür, wie unvorbereitet viele Regionen auf die zunehmenden Wetterextreme sind. Doch was kann getan werden, um solche Katastrophen in Zukunft besser zu bewältigen?

  1. Infrastruktur anpassen:
    Das bestehende Kanalsystem von Rennes und anderen Städten ist nicht für solche Wassermassen ausgelegt. Es braucht gezielte Investitionen in moderne Abwassersysteme, die größere Regenmengen aufnehmen können.
  2. Natürliche Wasserregulierung stärken:
    Grünflächen, Feuchtgebiete und Auen müssen als natürliche „Schwämme“ genutzt werden, um Wasser zurückzuhalten und Überschwemmungen zu verhindern. Das Rückgängigmachen der Flussbegradigungen kann hier einen großen Unterschied machen.
  3. Frühwarnsysteme und Katastrophenmanagement:
    Schnelle und effektive Warnungen können Menschenleben retten. Digitale Technologien könnten helfen, die Bevölkerung in Echtzeit über steigende Wasserstände und mögliche Evakuierungen zu informieren.
  4. Bewusstseinsbildung und Klimaanpassung:
    Es ist wichtig, das Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels zu schärfen und lokale Anpassungsstrategien zu entwickeln. Dazu gehört auch, den Bürgern Wissen und Werkzeuge an die Hand zu geben, um ihre eigenen Häuser besser zu schützen.

Hoffnung inmitten der Flut

Trotz der dramatischen Lage gibt es auch positive Geschichten: Die Solidarität der Menschen in Rennes und Umgebung ist ein Lichtblick inmitten der Krise. Nachbarn helfen einander, Freiwillige melden sich, um bei der Reinigung zu unterstützen, und die Bereitschaft, gemeinsam Lösungen zu finden, ist beeindruckend.

Doch die Überschwemmungen sind auch ein Weckruf. Der Klimawandel ist keine ferne Bedrohung mehr, sondern Realität – und wir müssen uns darauf einstellen. Städte wie Rennes stehen vor der Herausforderung, ihre Infrastruktur und ihr Krisenmanagement grundlegend zu überdenken. Die Frage ist: Werden wir handeln, bevor die nächste Katastrophe kommt? Oder werden wir immer wieder mit denselben Bildern von überfluteten Straßen und verzweifelten Menschen konfrontiert?

Es liegt in unserer Hand, aus Ereignissen wie diesen zu lernen. Denn eines ist sicher: Die Natur fragt nicht, ob wir vorbereitet sind – sie handelt einfach. Und wir müssen endlich darauf reagieren.


Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!