Tag & Nacht




Was passiert, wenn die Bewohner einer Stadt die Nase voll haben – von der Angst, vom täglichen Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Drogenhandel direkt vor ihrer Haustür? Dann entsteht eine Bewegung, wie sie gerade im französischen Fontaine zu beobachten ist.

Ein Ort mit klarer Botschaft: Hier übernehmen jetzt die Bürger das Kommando.

Wenn Angst den Alltag bestimmt

Fontaine, eine Nachbarstadt von Grenoble, kennt die Folgen des Drogenhandels nur zu gut. Schüsse in Wohnvierteln, das Gefühl, nicht mehr sicher durch den eigenen Kiez laufen zu können – für viele ist das keine Schlagzeile, sondern traurige Realität. Zwei schwere Zwischenfälle, darunter eine Schießerei Anfang Mai, waren offenbar der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Doch anstatt sich weiter zurückzuziehen, sagen die Menschen nun: Schluss damit!

Die ungewöhnliche Antwort: Präsenz zeigen – mit Herz und Haltung

Am 14. Mai startete die „occupation citoyenne“ – eine Art zivile Dauerbesetzung an sogenannten „Hotspots“. Also jenen Orten, an denen Dealer sonst unbehelligt ihre Geschäfte machen. Hier finden jetzt ganz andere Dinge statt: kleine Märkte, Musik, Gespräche mit Politikern, Polizei auf Streife, Vertreter von Wohnbaugesellschaften vor Ort. Die Botschaft ist klar: Dieser Raum gehört der Gemeinschaft – nicht den Kriminellen.

Zehn Tage lang soll dieser Zustand aufrechterhalten werden. Zehn Tage, in denen es darum geht, neues Vertrauen aufzubauen.

Miteinander statt resignieren

Bürgermeister Franck Longo sieht die Aktion als Gemeinschaftsprojekt. Und genau so wirkt es auch. Polizei und Stadtverwaltung ziehen an einem Strang, genauso wie Wohnungsbaugesellschaften wie Actis. Deren Vertreter Laurent Richiero bringt es auf den Punkt: „Unsere Mieter wollen einfach in Ruhe nach Hause kommen.“

Auch die Präfektin des Départements, Catherine Séguin, steht voll hinter der Aktion. Ihr drastisches Bild: „Wir sind im Krieg – gegen den Drogenhandel und die organisierte Kriminalität. Und diesen Krieg wollen wir gewinnen.“

Hoffnung, aber auch Zweifel

Natürlich stößt so eine Aktion nicht nur auf Euphorie. Viele Menschen, die schon zu oft enttäuscht wurden, bleiben skeptisch. Eine Bewohnerin, Gwenaëlle Abgrall, fragt sich laut: „Werde ich mitmachen? Vielleicht.“ Ihre Unsicherheit steht sinnbildlich für die Frage, die sich viele stellen: Bringt das wirklich etwas? Oder ist es nur wieder ein Tropfen auf den heißen Stein? Doch selbst eine zaghafte Teilnahme könnte schon der Anfang sein – von etwas Größerem.

Ein Modell für andere Städte?

Die Idee aus Fontaine ist nicht nur lokal interessant. Schon jetzt schauen andere Kommunen genau hin. Échirolles, direkt nebenan, ging kürzlich mit der Räumung eines Dealer-Hauses in eine ähnliche Richtung. Die Bewegung, Räume zurückzuerobern, scheint sich auszubreiten. Und vielleicht fragen sich auch andere Städte bald: Warum nicht auch bei uns? Denn klar ist: Polizei und Justiz allein kommen kaum gegen die perfekt organisierten Netzwerke an. Es braucht ein soziales Gegengewicht – Menschen, die ihre Stadt zurückerobern.

Ein neuer Geist weht durch die Straßen

Was also bleibt von dieser Aktion in Fontaine? Vielleicht nicht sofort eine Revolution. Aber ein Signal. Und manchmal reicht genau das, um etwas ins Rollen zu bringen. Denn was passiert, wenn aus einem Markt auf einem Drogenumschlagplatz ein Treffpunkt wird, wo Kinder spielen, alte Nachbarn sich wieder begegnen und Jugendliche sich für ihre Taten plötzlich schämen? Genau das – könnte der Anfang vom Ende der Drogen-Hotspots sein.

Von C. Hatty

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