Tag & Nacht

Die Stadt Cannes, berühmt für ihre Filmfestspiele, erlebte am Montag, den 23. September, ein ganz anderes Spektakel: Gewitter mit heftigem Hagel verwandelten die Straßen in reißende Schlammströme. Innerhalb von weniger als 30 Minuten waren einige Stadtviertel kaum noch passierbar – die Wassermassen brachen plötzlich über die Stadt herein und brachten Chaos mit sich.

Eine Amateuraufnahme zeigt eine Fahrerin, die verzweifelt versucht, ihr Auto vor der Flut zu retten. Nahezu im Wasser versunken, balanciert sie auf einer Barriere. „Mein Auto wurde weggespült, also bin ich schnell ausgestiegen, weil es langsam voll Wasser lief“, erzählt sie sichtlich erschüttert. Glücklicherweise gab es keine Verletzten, aber die Sachschäden sind beträchtlich.

Schäden im ganzen Stadtgebiet

Besonders hart getroffen wurde der Boulevard de la République, eine zentrale Straße in Cannes, die nach dem Unwetter kaum wiederzuerkennen ist. Aufgerissene Gehwege, Schlamm, Schutt – die Zerstörungen sind großflächig sichtbar. David Lisnard, Bürgermeister der Stadt und Mitglied der Partei Les Républicains (LR), zeigte sich besorgt und kritisierte den französischen Wetterdienst scharf. Seiner Meinung nach habe es eine „Fehlprognose“ gegeben: Die Wettermodelle hätten das Ausmaß der Gefahr nicht richtig vorhergesehen und auch das Alarmsystem habe nicht ausreichend funktioniert.

Doch nicht alle teilen diese Einschätzung. Pierre Huat, Meteorologe bei Weather Solutions, widerspricht dieser Darstellung. „Die Unwetter waren keine Überraschung“, betont er. Laut Huat seien zwischen 30 und 40 Liter Regen auf den m2 gefallen, genau wie vorhergesagt. „Wir hatten eine gelbe Wetterwarnung ausgegeben. Das Problem ist oft, dass die Menschen die Warnstufe Gelb nicht ernst genug nehmen“, fügt er hinzu.

Ein wiederkehrendes Problem?

Solche Szenarien sind in Cannes nicht unbekannt. Schon in der Vergangenheit kam es immer wieder zu Überschwemmungen und Sturmschäden, die vor allem im Herbst die Stadt heimsuchen. Cannes liegt an der Côte d’Azur und ist für sein mildes Mittelmeerklima bekannt – doch die Schattenseite dieses Klimas sind heftige Unwetter, die oft unerwartet und mit großer Wucht auftreten. Häufig entstehen diese durch intensive Gewitterzellen, die über dem Mittelmeer entstehen und dann an der Küste abregnen. Der starke Versiegelungsgrad der Stadt trägt ebenfalls dazu bei, dass das Wasser nur schwer abfließen kann. Wenn die Abflüsse überlastet sind, bleibt dem Wasser kaum ein anderer Weg, außer durch die Straßen zu rauschen.

Man könnte fast meinen, die Stadt stehe mit einem Bein im Wasser und mit dem anderen auf einem Pulverfass. Trotz moderner Vorhersagesysteme und einer immer besseren Infrastruktur hat Cannes mit den unberechenbaren Launen der Natur zu kämpfen.

Wer trägt die Verantwortung?

Die Debatte darüber, wer letztlich die Verantwortung für die Schäden trägt, ist in vollem Gange. Auf der einen Seite steht die Kritik des Bürgermeisters, der die Wettervorhersagen für unzureichend hält – auf der anderen Seite die Meteorologen, die die Bürger zur Wachsamkeit ermahnen. Ein oft unterschätztes Detail: die Wetterwarnstufe Gelb. Diese wird zwar als „niedrig“ empfunden, signalisiert aber durchaus Gefahrenpotenzial. In vielen Fällen wird sie jedoch von der Bevölkerung ignoriert oder nicht ernst genommen. Sind wir etwa schon zu sehr daran gewöhnt, dass Wetterwarnungen „viel Lärm um nichts“ bedeuten?

Die Vorstellung, dass uns die Technik immer vor der Natur schützen kann, mag trügerisch sein. Auch das beste Vorhersagesystem ist machtlos, wenn seine Warnungen nicht beachtet werden.

Die Folgen – und was kommt als Nächstes?

Auch wenn die Aufräumarbeiten sofort nach den Unwettern begannen, wird es Wochen dauern, bis die Stadt wieder ihr gewohntes Bild zeigt. Der wirtschaftliche Schaden ist enorm – vom örtlichen Handel bis hin zu den Verkehrsnetzen wurde vieles in Mitleidenschaft gezogen. Auch die berühmte Croisette, eine der Hauptattraktionen der Stadt, war von den Überschwemmungen betroffen. Obwohl es noch keine genauen Zahlen gibt, dürfte der finanzielle Verlust erheblich sein. Touristen, die eigentlich für den Spätsommerurlaub in Cannes waren, finden statt Strand und Sonne jetzt Schlammlawinen und gesperrte Straßen vor.

Ein Weckruf?

Dieses Ereignis muss als Weckruf dienen, sowohl für die Stadtverwaltung als auch für die Einwohner. Wie könnte man das Risiko künftiger Überschwemmungen minimieren? Mehr Naturflächen, die das Wasser aufnehmen können, statt immer weiter zu bauen? Bessere Abwassersysteme? Es gibt viele Ansätze, doch keiner davon wird das Problem über Nacht lösen.

Letztendlich ist eines klar: Die Natur lässt sich nicht so leicht zähmen. Auch wenn Cannes sonst für Glamour und Sonnenschein steht, zeigt dieses Unwetter einmal mehr, wie fragil die Balance zwischen Mensch und Natur sein kann. Wer hätte gedacht, dass der strahlende Himmel über der Côte d’Azur so schnell in ein Chaos aus Wasser und Schlamm umschlagen könnte?

Die Frage bleibt: Wird es uns in Zukunft gelingen, besser auf solche Extremsituationen vorbereitet zu sein – oder bleibt uns nichts anderes übrig, als auf das nächste Unwetter zu warten und zu hoffen, dass es glimpflich ausgeht?


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