Inmitten der sanften Hügellandschaft der Charente erhebt sich ein Schloss, das mit seiner schieren Größe und Eleganz beeindruckt: das Château de la Mercerie in Magnac-Lavalette-Villars. Mit einer Fassade, die sich über unglaubliche 220 Meter erstreckt, trägt es zu Recht den Spitznamen „kleines Versailles“. Doch was macht diesen Ort so besonders?
Ein Schloss wie ein Ozeandampfer
Stellen Sie sich vor, Sie fahren durch die malerische Landschaft der Charente, vorbei an grünen Wiesen und alten Steinmauern – und plötzlich taucht vor Ihnen eine Schlossfassade auf, die sich scheinbar endlos erstreckt. Fast wie ein Schiff, das mitten auf einem Hügel gestrandet ist.
Genau dieses Bild bietet das Château de la Mercerie. Die imposante Länge der Fassade ist kein Zufall, sondern das Werk zweier Brüder mit einem ehrgeizigen Traum. Alphonse und Raymond Réthoré, die das Anwesen 1925 erwarben, wollten nicht einfach nur ein Schloss besitzen – sie wollten Geschichte schreiben.
Und das taten sie.
Eine Galerie der Spiegel und portugiesische Kacheln
Was wäre ein „kleines Versailles“ ohne eine Galerie der Spiegel? Auch daran haben die Réthoré-Brüder gedacht. Im Inneren des Schlosses verbirgt sich eine prächtige Halle mit neun Meter hohen Decken, geschmückt mit kunstvollen portugiesischen Fayence-Paneelen.
Diese Kacheln – tiefblau, detailreich und voller Geschichten – verleihen dem Raum eine fast märchenhafte Atmosphäre. Sie erzählen von fernen Küsten, barocken Festen und dem künstlerischen Reichtum vergangener Jahrhunderte.
Wer hier steht, kann kaum glauben, dass dieses Schloss erst im 20. Jahrhundert seine heutige Form erhielt.
Die längste Schlossfassade des 20. Jahrhunderts
Die Baugeschichte des Château de la Mercerie ist ebenso faszinierend wie das Schloss selbst. Vom ursprünglichen Herrenhaus ausgehend, erweiterten die Brüder das Gebäude Schritt für Schritt – bis schließlich die längste Schlossfassade entstand, die im 20. Jahrhundert errichtet wurde.
Doch warum ein solches Bauprojekt inmitten der Charente?
Die Réthoré-Brüder waren nicht nur wohlhabend, sondern auch Visionäre. Ihr Ziel war es, ein monumentales Bauwerk zu schaffen, das Frankreichs große Schlösser in nichts nachsteht. Obwohl das Schloss nie vollständig fertiggestellt wurde, bleibt es ein beeindruckendes Zeugnis ihres Ehrgeizes.
Ein Schloss mit Geschichte – und persönlichen Erinnerungen
Für manche ist das Château de la Mercerie eine architektonische Kuriosität, für andere ein unterschätztes Juwel. Doch für Pierrette Barraud, eine ehrenamtliche Schlossführerin, ist es mehr als das – es ist ein Teil ihrer Kindheit.
„Mein Schulweg führte direkt hinter dem Schloss entlang“, erinnert sie sich. Sie hat die Réthoré-Brüder noch persönlich gekannt und beobachtet, wie ihr ehrgeiziges Bauvorhaben Gestalt annahm.
Vielleicht ist es genau diese Verbindung zur lokalen Geschichte, die das Château de la Mercerie so besonders macht.
Ein Geheimtipp für Frankreich-Liebhaber
Die Charente ist bekannt für ihre sanften Weinberge, malerischen Dörfer und die berühmte Stadt Cognac. Doch wer einen Abstecher zu einem weniger bekannten, aber nicht minder faszinierenden Ort machen möchte, sollte das Château de la Mercerie auf seine Reiseliste setzen.
Ob als Tagesausflug oder als Teil einer Rundreise – dieses Schloss ist ein Kleinod, das Geschichte, Kunst und die Träume zweier Brüder in Stein gemeißelt vereint.
Ein Reisebericht von V.O.Yager.
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