Tag & Nacht




Auf der französischen Insel La Réunion brodelt es – und das nicht nur wegen der tropischen Temperaturen. Seit Monaten wütet auf der Insel eine Chikungunya-Epidemie, die immer größere Kreise zieht. Die Zahl der Infizierten steigt rapide an, die Gesundheitsbehörden schlagen Alarm, und viele Menschen schauen mit wachsender Sorge auf die Entwicklung. Zwei ältere Menschen – 86 und 96 Jahre alt – sind bereits an den Folgen der Krankheit gestorben. Die Situation ist ernst.

Mittlerweile ist das Virus in allen Regionen der Insel angekommen. Keine Gemeinde und keine Altersgruppe bleibt verschont. Über 10.000 laborbestätigte Fälle werden bis Ende dieser Woche erwartet – in Wirklichkeit dürfte die Zahl weit höher liegen. Denn nicht alle lassen sich testen, und nicht bei jedem Verdachtsfall wird ein Blutbild gemacht.

Chikungunya ist eine Virusinfektion, die durch Stechmücken übertragen wird – vor allem durch die Aedes-Mücke, die auch das Dengue- und Zika-Virus verbreitet. Der Name stammt aus einer Sprache der Makonde, einem Volk in Ostafrika, und bedeutet so viel wie „der gekrümmt Gehende“ – ein Hinweis auf die oft starken Gelenkschmerzen, die Betroffene vorübergehend regelrecht zusammenkrümmen lassen.

Und wie zeigt sich Chikungunya?

Die Krankheit beginnt meist plötzlich, mit hohem Fieber und heftigen Gelenkschmerzen, vor allem in Händen, Füßen, Knien oder Rücken. Dazu können Hautausschläge, Muskelbeschwerden, Kopfschmerzen oder Lichtempfindlichkeit kommen. Die Symptome ähneln auf den ersten Blick einer Grippe oder dem Dengue-Fieber – nur dass die Gelenkschmerzen bei Chikungunya besonders ausgeprägt und hartnäckig sein können.

In der Regel verläuft die Infektion zwar unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich. Viele erholen sich innerhalb weniger Tage bis Wochen vollständig. Bei älteren Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen kann es jedoch zu Komplikationen kommen. In seltenen Fällen bleiben die Gelenkschmerzen sogar über Monate bestehen – wie bei einer chronischen Arthritis.

Wie wird das Virus übertragen?

Der Hauptüberträger ist die Aedes-Mücke – klein, aber gemein. Sie sticht bevorzugt tagsüber, besonders am frühen Morgen und späten Nachmittag. Sobald sie eine infizierte Person gestochen hat, trägt sie das Virus in sich und kann es beim nächsten Stich weitergeben. Von Mensch zu Mensch springt das Virus nicht direkt über – immer ist eine Mücke im Spiel.

Gibt’s eine Behandlung oder Impfung?

Eine spezifische Behandlung gibt es bislang nicht – nur symptomatische Maßnahmen wie Schmerzmittel, Fiebersenker und Ruhe. Seit Kurzem ist allerdings ein Impfstoff (IXCHIQ) verfügbar, der allerdings noch nicht breit eingesetzt wird. In Risikogebieten, wie aktuell auf La Réunion, ist eine Impfung für gefährdete Gruppen aber eine sinnvolle Maßnahme.

Kurz gesagt: Chikungunya ist kein harmloser Urlaubsschnupfen, aber auch kein globaler Schrecken – solange Mückenbekämpfung und Vorsorge ernst genommen werden.


Wer sich erinnert: Die Chikungunya-Epidemie in den Jahren 2005 bis 2006 hat rund ein Drittel der Bevölkerung infiziert. Damals fehlte ein Impfstoff, und die Krankheit traf die Insel mit voller Wucht. Heute gibt es immerhin einen Impfstoff – doch der Haken? Er ist nicht erstattungsfähig. Bisher wurden nur etwa 350 Dosen verkauft.

Dabei gilt die Impfung gerade für ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen als sinnvolle Vorsorge. Deshalb hat die regionale Gesundheitsbehörde gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium 40.000 Dosen reserviert. Ab Anfang April soll die Impfung für diese Risikogruppe kostenlos angeboten werden – ein längst überfälliger Schritt.

Aber Impfen allein reicht nicht. Wer das Virus stoppen will, muss an der Wurzel ansetzen – beim Überträger: der Mücke. Und die liebt Wasser. Jeder Blumentopf, jede Regenrinne, jede alte Dose im Garten kann zur Kinderstube für Mücken werden. Deshalb setzen die Behörden verstärkt auf Aufklärung, Hausbesuche und das Eliminieren sogenannter Brutstätten. Jeden Tag sind rund 150 Einsatzkräfte unterwegs, um in Haushalten und Gärten aufzuräumen – nicht im übertragenen Sinne, sondern ganz wörtlich.

Mehr als 20.000 Inspektionen gab es schon. Über 5.000 Mückennester wurden ausgehoben. Klingt viel – reicht aber noch nicht. Denn gleichzeitig steigen die Fallzahlen weiter, in manchen Wochen um mehr als 60 Prozent. Besonders in den südlichen Gemeinden der Insel, etwa in Le Tampon, ist die Lage angespannt. Der Durchzug des Zyklons Garance hat das Problem eher verschärft: Erst viel Regen – dann stehendes Wasser. Perfekte Bedingungen für die Mücke, um sich weiter auszubreiten.

Und die Symptome? Die kennen die Menschen auf La Réunion leider nur zu gut: Fieber, starke Gelenkschmerzen, manchmal Hautausschläge. Viele Betroffene fühlen sich über Wochen schlapp und müde. Bei älteren Menschen oder chronisch Kranken kann die Krankheit jedoch schwere Verläufe nehmen. Deshalb ist Früherkennung so wichtig – und der Gang zum Arzt bei ersten Anzeichen.

Der Tod zweier Menschen hat die Insel erschüttert. Auch wenn es sich um sehr betagte Patienten mit Vorerkrankungen handelte – solche Nachrichten gehen unter die Haut. Sie führen vor Augen, wie gefährlich das Virus sein kann. Und sie sind ein Weckruf. Oder vielleicht besser gesagt: ein Wachrütteln.

Doch wie geht man mit so einer Epidemie um, wenn der Sommer heiß, die Niederschläge stark und der Mückenbestand kaum einzudämmen ist? Muss man sich einfach damit abfinden? Nein. Die Behörden setzen auf eine Kombination aus medizinischen Maßnahmen, Prävention und Bürgerengagement. Allein durch staatliches Handeln lässt sich eine Epidemie dieser Größenordnung kaum eindämmen – das klappt nur gemeinsam.

Das bedeutet: Repellents benutzen. Lange Kleidung tragen. Wasseransammlungen entfernen. Auf Symptome achten. Und nicht zuletzt: Impfen, wo es möglich ist.

Es braucht nicht viel, um dem Virus das Leben schwer zu machen – aber jeder muss mit anpacken. Wer also denkt, eine kleine Pfütze im Garten sei harmlos, irrt gewaltig. Die nächste Mücke könnte genau dort heranwachsen.

Was bleibt? Eine angespannte Lage, ein durchdachter Impfplan, viel Engagement – und eine ganze Insel, die sich wehrt.

Von C. Hatty

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